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Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht bei der Friedensdemonstration in Berlin.

© IMAGO/Bernd Elmenthaler/IMAGO/Bernd Elmenthaler

Update

Viel Streit um den Frieden: So verlief die Demo in Berlin mit Wagenknecht und Co.

Es ging gegen Waffen für die Ukraine – und gegen den angeblichen Völkermord Israels in Gaza. Ralf Stegner (SPD) musste sich bei der großen Kundgebung ausbuhen lassen.

Stand:

Tausende Menschen sind am Einheitstag in Berlin auf die Straße gegangen: für das, was sie Friedenspolitik nennen, und mit Sahra Wagenknecht als prominentester Rednerin. In allem einig waren sie sich nicht, in vielem aber eben doch. Keine Waffenlieferungen für die Ukraine und für Israel, das einen „Genozid“ an den Palästinensern verübe.

Mehr Verhandlungen und Diplomatie wurde gefordert sowie keine Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Diese drei Punkte formulierte Mitorganisatorin Jutta Kausch-Henken auf der Rednerbühne als Kern-Konsens.

Verschiedene Rednerinnen und Redner beschworen die Einheit der neuen Friedensbewegung, die es brauche. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner sprach auf der Rednerbühne, was ihm im Vorfeld viel Kritik eingebracht hatte. Sein Auftritt zeigte klar, wo die Bruchlinien liegen zwischen jenen, die mit Wagenknecht demonstrieren, und der bisherigen deutschen Regierungspolitik.

BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht forderte Gespräche mit Russland über ein Ende des Kriegs in der Ukraine.

© Jörg Carstensen/dpa

Stegner sieht wichtige Punkte so wie Wagenknecht und glaubt, der Ukraine-Krieg könne und müsse durch Diplomatie gelöst werden. Er sagt aber auch: Der russische Angriffskrieg bringe jeden Tag Tod und Zerstörung. Dafür wird er ausgebuht. Die Ukraine habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Die Buhrufe steigern sich. „Dass da Luftabwehr geschickt wird, rettet jeden Tag Leben.“ Immer lauter wird er ausgepfiffen. Ebenso beim Thema Nahost: Bei der Aussage, Deutschland müsse die Sicherheit Israels schützen, kommt viel Protest aus dem Publikum.

Das seien nur die lauten Rufer in den ersten Reihen, sagt Stegner danach. Er glaube, auch hier, auf dieser Demonstration, würden die meisten Menschen ihm zustimmen.

Teilnehmer sagen: Juden brauchen keinen eigenen Staat

Ob dem so ist? Mit Sozialarbeiterin Gina, angereist aus Kiel, würde er sich vermutlich nicht einig. Die erklärt am Rande des Demozugs vom Breitscheidplatz, das jüdische Volk brauche keinen eigenen Staat. Auch habe Israel außerhalb des eigenen Staatsgebiets kein Selbstverteidigungsrecht, weder im Libanon noch in den palästinensischen Autonomiegebieten.

Im hinteren Teil des Demozugs vom Schöneberger Ufer ist der Nahostkonflikt das bestimmende Thema. Hier werden auch Parolen wie „Babymörder Israel“ gerufen.

Bei der Demonstration, zu der das Bündnis „Nie wieder Krieg“ aufgerufen hatte, zogen Tausende von Teilnehmern durch Berlin.

© Sebastian Gollnow/dpa

Bei der großen Kundgebung an der Siegessäule tritt dann Wagenknecht als Rednerin auf. Sie dankt Michail Gorbatschow – und nur ihm – dafür, dass er die Wiedervereinigung ermöglicht habe. Sie nennt Außenministerin Annalena Baerbock ein „Sicherheitsrisiko“ für Deutschland und kontert so einen Kommentar der Ministerin zu den Wahlerfolgen der Wagenknecht-Partei in Ostdeutschland. Wagenknecht sagt klar, es sei menschenverachtend, über Raketen aus dem Iran auf Israel zu jubeln. Doch sie vermisse Empathie für die Opfer des Krieges in Palästina.

Damals waren es die Ungeimpften, die an allem schuld waren. Heute sind es die Putin-Freunde und Antisemiten.

Eine Rednerin auf der Demo am Breitscheidplatz

Gegen ihre politischen Gegner ätzt Wagenknecht in geübter Manier. Sie fordert ein „Bataillon der Kriegstüchtigkeits-Maulhelden“, da könnten Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Anton Hofreiter und andere „sich mal beweisen“.

Diese beiden sind zwar nicht gekommen, aber Michael Roth ist da: SPD-Bundestagsabgeordneter, so wie Ralf Stegner, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses und prominenter Vertreter der Gegenposition zu Wagenknecht. Er spricht auf einer Gegendemonstration, die „Vitsche“, eine Vereinigung von Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland, direkt am Großen Stern organisiert hat.

„Wir müssen die Angegriffenen, die am Boden Liegenden, verteidigen“, fordert er. Die Massendemo an der Siegessäule sei lauter, größer – „aber wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte“, sagt er unter Jubel.

Die Menschen auf der „Vitsche“-Demonstration rufen „Stop Russian Propaganda“. Auf Schildern stehen Slogans wie „Euer Frieden ist unser Todesurteil“.

Ganz anders die Teilnehmer der Hauptdemonstration: Zu Beginn des Demo-Tages brandmarkt eine Rednerin auf dem Breitscheidplatz die Aussage: „Präsident Putin und sein Regime müssen diesen Krieg verlieren.“ Das komme einer „Kriegserklärung“ des Westens gleich. Die Menge jubelt. Und auch das Thema Corona fehlt nicht. Die Rednerin zieht Parallelen: „Damals waren es die Ungeimpften, die an allem schuld waren. Heute sind es die Putin-Freunde und Antisemiten.“

Israelfeindliches Spektrum

Diese Melange zieht viele Demonstrierende an: Die Veranstalter sprachen von rund 30.000 Demonstrierenden, die Polizei von unter 10.000. Es waren auch Anhänger der Querdenken-Bewegung zu sehen, vom rechtsextremen Spektrum wurde der Demo-Zug aber nicht vereinnahmt.

Nach Wagenknecht und den anderen Rednerinnen und Rednern aus der Politik kam das israelfeindliche Spektrum zu Wort. Auf der Bühne wurde eine Grußbotschaft von Salah Abdel-Shafi, hochrangiger palästinensischer Diplomat, abgespielt.

Der sagte, Israel verübe seit einem Jahr einen „Völkermord“, zu dem die Welt schweige. Ähnliche Töne waren danach zu hören. Es sprachen gemeinsam Iris Hefets von der „Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost“, bekannt als Unterstützerin der israelfeindlichen BDS-Bewegung, sowie die Aktivistin Nadija Samour. Hefets sagte, Israel begehe einen von Deutschland unterstützen Genozid.

Gegen Waffen für die Ukraine, gegen Unterstützung für Israel: An diesem Demo-Tag zeigte sich, wie gut diese beiden Themen im Weltbild der Demonstrierenden zusammenpassen. 

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