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Politik: Vive la France!

Frankreich feiert Chirac für seinen Erfolg bei der Irak-Resolution

Jacques Chirac hat schon immer große Rollen auf dem internationalen Parkett geliebt. Regelrecht aufgeblüht ist Frankreichs Staatspräsident vergangene Woche. Das Ringen um eine Lösung im Irak-Konflikt ist zwar nicht beendet, doch schon triumphiert der konservative Politiker und mit ihm fast ganz Frankreich, dass die mögliche Verhinderung eines Krieges seinem Verhandlungsgeschick zu verdanken sei: Chirac, der Supermann der Diplomatie. Ein UN-Diplomat brachte das „Wunder Chirac“ auf den Punkt: „Einfach gesagt: Frankreich ist es gelungen, Washington in seine Grenzen zu weisen.“

Tatsächlich hat es der immer strahlende Taktiker in wochenlangen Verhandlungen geschafft, den ersten radikalen Irak-Resolutionsentwurf der USA und Großbritanniens zu verhindern und die Erarbeitung einer neuen Vorlage mehr oder weniger zu erzwingen. Die Initiative war von langer Hand vorbereitet und in den Augen vieler Franzosen ein kleines diplomatisches Meisterwerk.

Statt eines Schröder’schen donnernden Neins zu einem Militärschlag gegen Bagdad brachte Chirac schon Mitte September seinen Zwei-Stufen-Plan ins Spiel: Vorrang für die UN-Waffeninspekteure, Diskussion über militärische Mittel erst dann, wenn Saddam Hussein ihre Arbeit behindern sollte, also kein Blankoscheck für einen Krieg. Geschickt hat der 69-Jährige dabei offen gelassen, auf welche Seite sich Frankreich im Ernstfall schlagen würde und es gleichzeitig geschafft, seine Rolle als Sprachrohr des in der Irak-Frage uneinigen Europas zu festigen. Chirac, der wichtigste europäische Gesprächspartner des starrsinnigen US-Präsidenten George W. Bush? Bravo. In Frankreich kam die Inszenierung der Unabkömmlichkeit bestens an.

„Frankreich hat sich zu Wort gemeldet und ist gehört worden, eine Leistung, die Chirac zustande gebracht hat“, jubelte „Le Journal du Dimanche“ und „Le Monde“ widmete dem Bush-Widersacher und seinen zähen Bemühungen gleich mehrere Extra-Seiten. Selbst bei der linksliberalen „Liberation“ konnte Chirac punkten: „Irak: Eins zu Null für Paris, Lösung á la Frankreich.“ Die Zeitung „Le Figaro“ lobte den Staatschef, er habe Frankreich wieder zu einer wichtigen Stimme auf der Weltbühne verholfen.

Nur die Opposition mag nicht loben. Sozialisten, Kommunisten und Grüne verlangen von der neuen konservativen Regierung ein klares Nein zum Krieg, nach dem Vorbild Deutschlands, und in der Konsequenz die Anwendung seines Vetorechts im UN-Sicherheitsrat. Nicht wenige Linke haben den Staatspräsidenten sogar im Verdacht, ein „doppeltes Spiel zu spielen“. „So wie er sich jetzt als Retter in der Not gefällt, wird er sich bald auch in der Rolle als Kriegsherr neben Bush gefallen“, raunte ein Sozialist bei der parlamentarischen Sondersitzung zum Irak Journalisten zu. Der neue Held Chirac lässt sich nicht beirren, ging am Dienstag noch ein Stück weiter: „Die Beziehungen Frankreichs zu den USA sind gut, aber sie basieren nicht auf der Tatsache, dass die USA immer Recht haben und wir alles nachbeten, was sie für richtig halten.“ Die Franzosen freuen sich: Gut gebrüllt, Chirac.

Sabine Heimgärtner[Paris]

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