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Politik: Vom Luxus, Auto zu fahren

Von Moritz Döbler

Fünf Mark für den Liter Benzin – nur wenige Jahre ist es her, dass die Grünen diesen Schlachtruf vor einem Parteitag erklingen ließen. Das war 1998 in Magdeburg, vor der rotgrünen Koalition. Diese Vorstellung schockte Deutschland und band die eigene Klientel. Und heute? Heute kostet Super rund 3 Mark 50 – was auch unter neuen politischen Vorzeichen nicht das Ende der Preisentwicklung sein wird. Wie von den Grünen vorhergesagt.

Neben dem Ölpreis ist es der katastrophale Zustand der öffentlichen Haushalte, der das Autofahren immer teurer machen wird. Das ist sicher. Selbst eine CDU/CSU-Alleinregierung hätte die Ökosteuer nicht zurückgenommen, nicht zurücknehmen können, denn anders ist unser Rentensystem nicht zu finanzieren. Das sagt die Union selbst. Und eine SPD-Alleinregierung wäre um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer nicht herumgekommen. Sie hatte sie ja vor dem Wahlkampf auch schon offen diskutiert.

Dass ausgerechnet jetzt die Pkw-Maut, Reizthema im Autoland, auf den Verhandlungstisch kommt, ist überraschend. Sind die Spitzengespräche zwischen SPD und Union nicht schwierig genug? Es begann harmlos: Wolfgang Clement, der sich verhält, als regierte er weiter, empfiehlt die Privatisierung von Autobahnen. Manfred Stolpe dagegen, der nicht mehr regieren wird, nennt den Vorschlag „Pkw-Maut durch die Hintertür“. Das stimmt. Wenn private Unternehmen Autobahnen betreiben, dann fordern sie von den Benutzern ein Entgelt. Schließlich muss Geld verdient werden. Es gibt vereinzelte Mautprojekte in Deutschland und zahllose in anderen Ländern. Sie funktionieren: Mautfinanzierte Autobahnen und Tunnel sind picobello und selten voll.

Deutschland hat diese Sicht im Grundsatz stets abgelehnt. Freie Fahrt nur für reiche Bürger, das darf hierzulande nicht sein. Recht so. Allerdings gilt es abzuwägen: Die meisten Menschen fahren gerne Auto, viele auch gerne schnell. Nur, ist das ihr Grundrecht? Und ist es nicht angezeigt, angesichts der Riesenlöcher in den öffentlichen Haushalten wirklich umfassend über Gerechtigkeit nachzudenken?

Wenn am Ende dabei herauskäme, dass alle sozial abgesichert sind und weniger Steuern zahlen, dafür aber für individuelle Freiheiten zur Kasse gebeten werden, dann könnten vermutlich die meisten ganz gut damit leben. Wer studieren will, muss die Kosten seiner einkommensträchtigen Ausbildung mittragen. Wer rauchen will, muss höhere Gesundheitskosten in Kauf nehmen. Wer im eigenen Auto schnell ans Ziel kommen will, muss Maut zahlen. Und wer studieren, rauchen und Auto fahren will, muss mehr verdienen als sein genügsamerer Nachbar.

Es wäre nicht damit getan, die Regeln zu ändern. So hat zum Beispiel die Lkw-Maut dafür gesorgt, dass Schwerlaster durch Dörfer donnern, wo sie nach allem Menschenverstand nichts zu suchen haben, nur um die Maut zu umgehen. Wer also die Privatisierung von Autobahnen fordert, muss ein umfassendes Konzept vorlegen, das Chaos verhindert. Schön wäre, wenn diesmal die Computer gleich funktionierten; aber das können wir wohl dank der Lkw-Maut annehmen. Was auch ein Beleg dafür ist, wie sehr die Pkw-Maut von Anfang an in der Logik des Systems lag. Vielleicht wäre eine neue Gerechtigkeit auf diesen und anderen Feldern ein Modell gewesen, zum Beispiel für die Jamaika-Konstellation.

Dass Union und SPD, die beide in innerlichen Zerreißproben stecken, sich in einer vom Wähler erzwungenen Koalition rückhaltlos einem solchen Neuanfang verschreiben, mag man nicht annehmen. So wird passieren, was passieren muss. Denn es fehlt an viel Geld. Also dürfte manche Autobahnstrecke privatisiert werden, die Pendlerpauschale dürfte verschwinden, die Mehrwertsteuer steigen. Und weil der Ölpreis auf Dauer bestimmt nicht sinkt, wird Auto- fahren in Deutschland nach und nach etwas, das sich viele nicht mehr leisten können oder wollen.

Die Grünen werden beim nächsten Parteitag einen Benzinpreis von fünf Euro fordern müssen, um Aufregung zu verursachen. Oder vielleicht zehn?

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