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Politik: Von der Talkshow in die Duma

Kreml besetzt wichtige Posten mit berüchtigten Militärs und TV-Star

Die Abstimmung zur Postenvergabe in den Gremien der neuen russischen Duma, die heute zu ihrer ersten Arbeitssitzung zusammentritt, könnte eigentlich ersatzlos gestrichen werden. Die Kremlpartei „Einiges Russland“, die neben dem Parlamentschef auch fünf der acht Vizepräsidenten stellt, fordert nun auch den Vorsitz in allen 28 Ausschüssen sowie zahlreiche Stellvertreterposten. Und die dürfte sie auch bekommen – schließlich verfügt sie in der Duma über 300 von 450 Sitzen. Wer was bekommt, haben die Einheitsrussen daher vorab unter sich ausgemacht. Vorsichtshalber ließen sie den Rollenplan jedoch von dem im Präsidentenamt auch für Kaderfragen zuständigen Ex-Geheimdienstler Wladislaw Surkow und von Premier Michail Kasjanow absegnen.

Ernennungen wie diese, hielt ausgerechnet die Kommunistin Tatjana Astrachankina der „Partei der Macht“ vor, würden nur in einer gelenkten Demokratie durchgehen. Der Verteidigungsausschuss wird künftig von Ex-Generalleutnant Viktor Sawarsin geleitet. Im Kosovokrieg hatte er mit Teilen der russischen Blauhelme in Bosnien den Flugplatz in Pristina besetzt, bevor die Nato-Bodentruppen einrückten. Jewgenij Trofimow, Ex-General der Polizei mit Tschetschenien-Erfahrung, soll ausgerechnet dem Ausschuss für Nationalitätenpolitik vorstehen. An die Spitze des Sicherheitsausschusses soll der frühere Vize-Innenminister Wladimir Wassiljew rücken. Er war einer der Verantwortlichen für den Sturm auf das Musicaltheater „Nordost“, bei dem 129 Geiseln durch den Einsatz von Kampfgas ums Leben gekommen waren.

Die neue Vorsitzende des Medien-Ausschusses kommt vom Staatssender RTR: Valerija Kommissarowa moderiert die Talkshow „Meine Familie“ und ist so etwas wie Russlands „Vera am Mittag“. Von ihr sei alles zu erwarten, nur nicht, dass sie Rückgrat im Kampf für die Pressefreiheit zeigen könnte, sagte Michail Sokolow von „Radio Liberty“. Den Vorsitz im Ausschuss für Verfassungsrecht soll der Anwalt Wladimir Pligin erhalten. Der Studienfreund von Wladimir Putin hatte dessen politischen Ziehvater Anatolij Sobtschak gegen Korruptionsvorwürfe verteidigt. Und für den Ethik-Ausschuss fiel mit Gennadij Raikow die Wahl auf einen Mann, der die Wiedereinführung der Todesstrafe fordert und zudem katholischen Seelsorgern im orthodoxen Russland die Amtsausübung untersagen will.

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