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Politik: Vorerst kein Freihandelsabkommen Die EU straft die Ukraine wegen Timoschenko

Das heikle Kiewer Gipfeltreffen zwischen der Ukraine und der EU endete am Montag mit einem nur schlecht verhüllten Fiasko. Zuerst hätte feierlich ein Freihandels- und Assoziationsabkommen zwischen der Ukraine und der EU unterzeichnet werden sollen, dann hieß es, der Vertrag werde nur paraphiert.

Das heikle Kiewer Gipfeltreffen zwischen der Ukraine und der EU endete am Montag mit einem nur schlecht verhüllten Fiasko. Zuerst hätte feierlich ein Freihandels- und Assoziationsabkommen zwischen der Ukraine und der EU unterzeichnet werden sollen, dann hieß es, der Vertrag werde nur paraphiert. Am Montagabend jedoch rettete sich Brüssel mit einer reichlich allgemeinen Erklärung darüber, dass der technische Verhandlungsprozess abgeschlossen sei. „Wir unternehmen Schritte, den Assoziationsvertrag zu unterzeichnen, wenn dies die politischen Gegebenheiten erlauben“, sagte EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy in Kiew nach einem längeren Treffen mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Wiktor Janukowitsch. Van Rompuy nahm dabei kein Blatt vor den Mund. „Das Justizsystem in der Ukraine ist politisiert, dies zeigt der Fall Julia Timoschenko“, sagte Van Rompuy bitter.

Die Oppositionsführerin Julia Timoschenko war im August unter dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs als Ministerpräsidentin verhaftet und zwei Monate später zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden. Mitte Dezember wurde sie bereits im Gefängnis erneut verhaftet und der Veruntreuung von Geldern in den Neunzigerjahren bezichtigt. Die Verurteilung schließt die gewichtigste Widersacherin Janukowitschs bis 2018 vom politischen Leben aus. Gleichzeitig hielt Janukowitsch an dem ausgerechnet von Timoschenko im Jahre 2007 angeschobenen EU-Integrationsprozess zumindest auf dem Papier fest. Ende des Jahres sollte ein erstes Assoziationsabkommen unterzeichnet werden, das die Frage einer späteren EU-Mitgliedschaft zumindest offenlässt. Dieser Prozess kam allerdings mit dem Fall Timoschenko ins Stocken. Die EU zeichnete der ukrainischen Führung zwar wiederholt juristische Auswege aus dem Fall Timoschenko auf, diese weinte jedoch nur Krokodilstränen. Statt einige noch aus der Stalin-Zeit stammende Gesetze zu ändern, wurden neue Verfahren wegen angeblicher Schwerverbrechen gegen Timoschenko eröffnet.

Nun ist der EU offensichtlich der Geduldsfaden mit Janukowitsch gerissen. Die EU-Spitze kritisierte den Ukrainer am Montag in seiner Hauptstadt Kiew mit ungewöhnlich scharfen Worten. Van Rompuy, der zu dem Spitzentreffen mit Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle angereist war, kritisierte neben dem Fall Timoschenko auch die mangelnde Presse- und Versammlungsfreiheit.

Erst kurz vor dem Treffen waren vor dem Präsidentenpalast in Kiew 15 Demonstranten, die für einen EU-Beitritt der Ukraine eintraten, verhaftet worden. Van Rompuy ermahnte Janukowitsch auch zu fairen Wahlen. Im Herbst 2012 soll in der Ukraine ein neues Parlament gewählt werden. Ein Blick auf die Lokalwahlen vom November 2010 lässt allerdings wenig Gutes erwarten. Der einstige Wahlfälscher und Mitauslöser der „orangen Revolution“ von 2004 ist wieder zu seinen alten Methoden zurückgekehrt. Dazwischen hatte er als Oppositionspolitiker gerne von Menschenrechten und europäischen Werten gesprochen.

Vor ein paar Tagen allerdings machte Janukowitsch düstere Andeutungen zu angeblichen Waffenlagern der Opposition. Die Lage in der Ukraine wird nach dem deutlichen Korb der EU nicht durchsichtiger. Die Staatsführung zieht offenbar auch einen Gewalteinsatz gegen die Anhänger Julia Timoschenkos in Betracht, die sich seit Wochen immer wieder zu kleineren Protesten zusammenraufen. Timoschenko selbst hat Janukowitsch am Wochenende aus dem Kiewer Lukjaniwka-Gefängnis heraus dafür kritisiert, dass er die ukrainische EU-Integration leichtfertig aufs Spiel setze. Kritiker werfen Ähnliches jedoch auch der EU vor. Es wäre besser gewesen, das Assoziationsabkommen zumindest zu paraphieren, hieß es am Montag aus Kreisen der polnischen EU-Ratspräsidentschaft. In Warschau macht man sich Sorgen darüber, dass das große östliche Nachbarland vollends in den Einflussbereich Russlands abdriften könnte.

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