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Armin Laschet im NRW-Landtag.

© imago images/Michael Gstettenbauer

Update

„Solche Debatten schaden uns“: Laschet äußert sich intern zum Streit um Maaßen

Die jüngste Provokation des CDU-Kandidaten Maaßen zielt auf die ARD. Die Querschläge des Ex-Verfassungsschutzchefs werden zum Problem für CDU-Chef Laschet.

Für Armin Laschet sind die vergangenen Tage gut gelaufen. Er musste nichts machen, die Umfragewerte von CDU/CSU und seine persönlichen stiegen. Der Kanzlerkandidat der Union musste nur abwarten, welche neue Debatte es um die Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock gibt.

Täglich tauchten neue Hinweise zu übernommen Fremdpassagen für ihr Buch „Jetzt“ auf, ohne dass diese mit Quellenhinweis kenntlich gemacht wurden. Die Strategie der Krisenmanager, Kritikern pauschal eine „Rufmord-Kampagne“ zu unterstellen, machte alles schlimmer. Um Inhalte und Zukunftskonzepte ging es selten bisher in diesem Wahlkampf.

Nun wendet sich die Aufmerksamkeit wieder dem CDU-Vorsitzenden zu. Wie eine schwere Hypothek schwebt die Bundestagskandidatur von Hans-Georg Maaßen in Südthüringen über ihm. Nun hat Maaßen einen Gesinnungstest für Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefordert – und „Tagesschau“-Mitarbeitern linksextreme Tendenzen vorgeworfen.

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Er kritisiert eine „Meinungsmanipulation“ über das Weglassen von Tatsachen und „Tricks“. Wörtlich sagte er dem Privatsender TV Berlin: „Ich halte es für eine Schande, dass die Aufsichtsbehörden diesen öffentlich rechtlichen Rundfunk (…) nicht mal wirklich korrigieren.“ Dann wird Maaßen gefragt, ob er einen Untersuchungsausschuss anstrebe, wenn er in den Bundestag einziehe; zu der aus seiner Sicht einseitigen Berichterstattung?

Es sei nicht Sache des Bundes, aber es gebe genügend Länder, die „einen NDR-Untersuchungsausschuss einleiten könnten“, antwortet Maaßen. Der NDR sei für die „Tagesschau“ zuständig. „Wenn man sieht, dass es da Verbindungen gibt zwischen der „Tagesschau“ oder zwischen Personen, die für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und „Tagesschau“ arbeiten, aus der linken und linksextremen Szene, dann wäre das auch wirklich eine Untersuchung wert.“ Weiter sagt er, dass die Biografie von einigen Redakteuren auf den Prüfstand gestellt werden sollte, „ob diese Leute die charakterliche Eigenschaft haben, (…) die Tagesschau zu begleiten“.

Am Sonntagabend schrieb Maaßen nach massiver Kritik von Grünen und SPD auf Twitter, er kritisiere tendenziöse Berichterstattung, auch das gehöre zur Meinungsfreiheit. „Klar ist aber: Eine „Gesinnungskontrolle“ journalistischer Arbeit durch die Politik darf es nicht geben.“

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Nun gibt es immer wieder Kritik an einer mitunter gewissen Schlagseite bei einigen Berichten in ARD und ZDF, etwa in der Migrations-, Klima- und Grünen-Berichterstattung. Aber Maaßen bedient ein Narrativ der AfD – und liefert keine Belege für linksextreme Verbindungen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil spricht von einem „weiteren demokratiefeindlichen Ausfall von Maaßen“.

SPD: Eindruck, das wird von Laschet nicht nur toleriert, sondern gewollt

„Und ein weiteres Mal schweigt CDU-Chef Armin Laschet“, sagte Klingbeil auf Tagesspiegel-Anfrage. „Langsam drängt sich der Eindruck auf, dass das Verhalten von Maaßen und Co durch Laschet nicht nur toleriert wird, sondern gewollt ist. Die Merkel-CDU der Mitte – sie existiert nicht mehr.“

Am Montag äußerte sich Laschet dann aber doch, allerdings nicht öffentlich und ohne Maaßen beim Namen zu nennen. Aussagen von Direktkandidaten in Südthüringen seien nicht hilfreich, sagte er nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen am Montag in den Online-Beratungen des CDU-Vorstands in Berlin. Laschet wurde mit den Worten zitiert: „Solche Debatten schaden uns.“

Angesichts der wiederholten Maaßen-Kritik an der politischen Ausgewogenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stellte sich Laschet erneut klar hinter die öffentlich-rechtliche Organisationsform. Nach weiteren Teilnehmerangaben sagte er, gebraucht werde ein starker öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Dies sei wichtig für die Demokratie.

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Laschet kritisierte außerdem, dass „die zweite Reihe der Grünen“ einen aggressiven Ton an den Tag lege, der ihn an jenen von Ex-US-Präsident Donald Trump erinnere. Laschet meinte den Vorwurf der Grünen, dass er mit seiner zurückhaltenden Klimaschutz-Politik für Hitzetote in Kanada verantwortlich sei.

Er erwarte vom politischen Mitbewerber, nicht mit solche Methoden zu arbeiten. Weiterhin betonte Laschet nach Teilnehmerangaben, es werde keine Kooperation und keine Verhandlungen der Union mit der AfD nach der Bundestagswahl im September geben. Der CDU-Chef wurde mit den Worten zitiert: „Wir sind da ganz klar. Ich erwarte von jedem Direktkandidaten, dass er sich daran hält.“

Zuvor hatte sich Laschet in einem Interview allgemein zur Kandidatur von Maaßen geäußert, allerdings fand das Gespräch bereits am Freitag statt - also bevor die Debatte um die neuen Maaßen-Äußerungen Fahrt aufnahm. „In Thüringen hat die Basis entschieden. Die Wahlkreise treffen ihre eigenen Entscheidungen. Dies ist gesetzlich so geregelt“, sagte Laschet dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Auf die Frage, ob es nicht besser wäre, wenn sich die CDU glaubhaft von Maaßen abgrenzen würde, sagte Laschet: „Ich werde nicht jeweils kommentieren, wer in 299 Wahlkreisen kandidiert.“ Die Abgrenzung der CDU nach rechts sei glasklar, sagte er. „Mit der AfD wird nicht koaliert, nicht kooperiert, nicht verhandelt. Sie muss aus den Parlamenten verschwinden.“

CDU-Vize Strobl hält Stellungnahme Laschets für nicht notwendig

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner nannte Maaßens Äußerungen am Montag einen Angriff auf die Pressefreiheit. Dies sei ein ungeheuerlicher Vorgang von jemandem, der in Thüringen kandidiere - wo es bis 1989 keine freie Presse gegeben habe. „Das ist kein Schaden für die Union, das ist ein Schaden für unsere Demokratie. Es zeigt wieder einmal, dass Herrn Laschet der Kompass im Umgang mit Herrn Maaßen fehlt.“

SPD-Fraktionsvize Katja Mast erklärte, wie fast die gesamte CDU-Spitze herumeiere, sei ein Armutszeugnis. Dafür trage Laschet die Verantwortung. „Die Zeit des Wegduckens muss enden.“

Mehrere Spitzenvertreter der CDU distanzierten sich von Äußerungen Maaßens, lehnten aber ein Parteiausschlussverfahren ab. „Die Äußerungen waren alles andere als klug. Aber jeder ist ja seines Glückes Schmied“, sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Volker Bouffier am Montag bei seinem Eintreffen zu den letzten regulären Beratungen der CDU-Spitze mit Parteichef Laschet vor der Sommerpause. „Aber wir sollten das nicht überbewerten.“

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak sagte nach den letzten regulären Beratungen der Führungsspitze seiner Partei vor der Sommerpause in Berlin: „Die Pressefreiheit, übrigens auch die Freiheit des Rundfunks, hat Verfassungsrang.“ Unabhängiger Journalismus sei „ganz essenziell für die Funktionalität einer Demokratie“. Dies sei ohne Ausnahme eindeutige Meinung der Führungsgremien der CDU. Ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen sei kein Thema gewesen. „Herr Maaßen ist ja gestern zurückgerudert von seinen Äußerungen und hat sich auch noch mal zu diesem Verfassungsrang der unabhängigen Presse, der Pressefreiheit bekannt. Das ist auch wichtig und notwendig.“

Der stellvertretende CDU-Chef und baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl sagte auf die Frage, ob Laschet zu Maaßen Stellung beziehen solle: „Ich finde, da muss sich der Bundesvorsitzende nicht dazu äußern. Es gibt viele Äußerungen, und nicht alles muss man kommentieren.“

Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann sagte, Maaßen stehe „ganz, ganz weit rechts von der CDU“. „Aber bislang war alles das, was er gemacht habe, sicherlich so, dass es noch so eben im CDU-Spektrum passt.“ Maaßen sei Kandidat in einem thüringischen Wahlkreis. „Ich glaube nicht, dass es bei ihm Äußerungen gibt, die ein Parteiausschlussverfahren rechtfertigen.“

Rufe nach Parteiaustritt und Parteiausschluss

Der niedersächsische CDU-Landesvorsitzende Bernd Althusmann forderte Maaßen unterdessen zum Parteiaustritt aus. Maaßen schade der Partei nachdrücklich mit Positionen, die wir nicht teilen“, sagte Althusmann der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wenn für Herrn Maaßen Grundwerte der Partei, für die er in den Bundestag einziehen will, nichts bedeuten, sollte er sich eine andere Partei suchen.“

Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz ging bei Twitter noch einen Schritt weiter. Polenz schrieb: „Ich würde meiner Partei zu einem Ausschlussverfahren raten. Ja, auch im Wahlkampf. Gerade jetzt.“

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Der frühere Präsident des Verfassungsschutzes wurde von der Südthüringer CDU zum Kandidaten gemacht, nachdem der bisherige Abgeordnete Mark Hauptmann nach einer Korruptionsaffäre um Maskengeschäfte nicht wieder angetreten war. Mit Biathlon-Olympiasieger Frank Ullrich schickt die SPD einen starken Gegner ins Rennen, in einer Umfrage lag Ullrich zuletzt knapp vorn. Gewinnt aber Maaßen, bekäme die CDU im Bundestag ein großes Problem.

ARD will auf Maaßens Vorwurf nicht direkt eingehen

Die ARD wollte weder auf den Vorwurf Maaßens, Journalisten der „Tagesschau“ hätten Verbindungen zur linken oder linksextremen Szene, noch zu dessen Forderung nach einer Überprüfung der Mitarbeiter von ARD direkt eingehen. Auf Anfrage teilte Barbara Jung als NDR-Pressesprecherin nur mit: „Die Tagesschau hat einen hohen Anspruch an Objektivität und Sorgfalt in der Berichterstattung. Sie folgt bei der Nachrichtenauswahl ausschließlich journalistischen Kriterien. Die Tagesschau steht damit für ausgewogenen, nachvollziehbaren und durch Fakten belegten Journalismus.“

Frank Überall, der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), bemängelte am Sonntag, dass „Herr Maaßen Belege für seine steile These schuldig bleibt, Tagesschau-Journalisten hätten Kontakte zum linken und linksextremen Spektrum“. Dass er zur Gesinnungsschnüffelei aufrufe, offenbare ein mindestens fragwürdiges Verhältnis zur Pressefreiheit. „Herr Maaßen sollte nicht erneut den Versuch unternehmen, sich auf Kosten der vierten Gewalt im Staat zu profilieren. Das ging schon einmal daneben und hat ihn den Job als Verfassungsschutzchef gekostet“, sagte er dem Tagesspiegel.

Immer wieder neue Provokationen

Es ist nicht das erste Mal, dass Maaßen mit Äußerungen über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für Aufregung sorgt. Im September 2019 forderte er per Twitter eine Reform oder Abschaffung von ARD, ZDF und Co. Mit Blick auf die Sender kritisierte er: „Wir haben zu viele, sie sind zu teuer, zu fett, zu borniert und zu parteiisch.“

Eine Rundfunkabgabe von einem Euro pro Monat sei für jeden Haushalt ausreichend. Maaßens Forderung einer drastischen Reduzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks deckt sich weit gehend mit der Position der AfD.

Kurz vor Maaßens damaligem Tweet hatten in Brandenburg und Sachsen Landtagswahlen stattgefunden, bei denen die AfD jeweils zur zweitstärksten Partei wurde. Vor den Wahlen hatte Maaßen dem Deutschlandfunk ein Interview gegeben, das in der Unionsspitze auf großes Befremden stieß.

Zwar hatte der frühere Chef des Verfassungsschutzes dabei betont, dass die CDU auf Sieg setzen müsse, um Koalitionen ohne die AfD bilden zu können. Er sagte aber auch mit Blick auf die AfD: „Ich glaube, in der jetzigen Situation werden wir es auch ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt, aber man weiß nie.“

Gefahr für die Union. Die CDU in Südthüringen wählte Hans-Georg Maaßen zum Bundestagskandidaten.
Gefahr für die Union. Die CDU in Südthüringen wählte Hans-Georg Maaßen zum Bundestagskandidaten.

© dpa/Michael Reichel

Maaßen wird immer wieder das Verbreiten von antidemokratischem, AfD-nahem Gedankengut vorgeworfen. Er provoziert gern. Anfang Juni twitterte er, dass die Anfangsbuchstaben im vollständigen Namen von Annalena Baerbock mit dem Kürzel „ACAB“ identisch seien. Das Kürzel steht für „All Cops are Bastards“, auf Deutsch „Alle Polizisten sind Mistkerle“. Wörtlich hatte Maaßen getwittert: „Annalena Charlotte Alma Baerbock = ACAB = All Cops Are Bastards. Zufall oder Chiffre?“ CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak nannte die Äußerung „unsäglich“. Er fügte hinzu: „Das ist auch nicht unser Niveau, nicht mein Niveau.“

Laschets Taktik ist es, die Debatte nicht noch größer zu machen. Schon Laschets Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer stolperte beim Versuch, der Thüringer CDU hineinzureden. Aber aussitzen wird schwieriger, zumal der nächste Maaßen-Aufreger sicher kommen wird.
Korrektur: In einer früheren Version hieß es in der Überschrift, dass Laschet Äußerung der Grünen zu Maaßen kritisiert. Das ist nicht der Fall. Der Kanzlerkandidat bezog sich auf Vorwürfe der Grünen gegen ihn selbst.

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