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Israelische Soldaten sind im Gazastreifen zu sehen.

© AFP/Jack Guez

Trotz UN-Warnung vor Kriegsverbrechen: Ampel soll bis zum Schluss Raketenwerfer für Israel genehmigt haben

Das System „Matador“ wird im Häuserkampf eingesetzt. Einem Bericht zufolge gab die Scholz-Regierung grünes Licht für eine Lieferung, als UN-Beamte von möglichen Kriegsverbrechen in Gaza sprachen.

Stand:

In Deutschland wird angesichts der humanitären Lage im Gazastreifen intensiv über Waffenlieferungen an Israel diskutiert. Die Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz, ein teilweises Embargo gegen die Regierung des umstrittenen Premiers Benjamin Netanjahu zu verhängen, wird dem aktuellen Politbarometer zufolge von einer sehr deutlichen Mehrheit der Deutschen unterstützt.

Der CDU-Chef hatte nach der Ankündigung Israels, seine Gaza-Offensive auszuweiten, gesagt: „Unter diesen Umständen genehmigt die Bundesregierung bis auf Weiteres keine Ausfuhren von Rüstungsgütern, die im Gazastreifen zum Einsatz kommen können.“

Die Vorgängerregierung unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) soll noch in der zweiten Jahreshälfte 2024 die Ausfuhr einer unbekannten Anzahl Raketenwerfer vom Typ „Matador“ nach Israel genehmigt haben. Dies berichtet die „Zeit“. Dem Bericht zufolge werden diese Waffen nachweislich im Häuserkampf im Gazastreifen eingesetzt. Der Raketenwerfer wird von einem Soldaten getragen und abgefeuert.

Nach Hamas-Terror bekam Israel Waffen

Bislang war nur bekannt, dass die Koalition aus SPD, Grünen und FDP unmittelbar nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 neben anderen Rüstungsgütern eine Fuhre von 3000 Matador-Raketenwerfern und etwa 500.000 Schuss Gewehrmunition für den Export nach Israel genehmigt hatte. 

Das Bild zeigt einen britischen Soldaten mit einem  Raketenwerfer vom Typ „Matador“.

© Imago/StockTrek Images/Andrew Chittock

Das Blatt verweist darauf, dass die Exporte von der Ampelregierung zu einem Zeitpunkt erlaubt wurden, als unter anderem hohe UN-Beamte von möglichen Kriegsverbrechen der israelischen Armee im Gazastreifen sprachen. Die Zeitung stützt ihren Bericht eigenen Angaben zufolge auf als geheim eingestufte Dokumente sowie Gespräche mit ehemaligen Regierungsmitgliedern, die an der Entscheidung beteiligt gewesen waren.

Scholz-Regierung forderte von Israel offenbar Selbstverpflichtung

Das Blatt zitiert zudem aus einer Selbstverpflichtung, die vom israelischen Verteidigungsministerium mit Datum vom 8. Oktober 2024 abgegeben worden sein soll. In dem Schreiben heißt es demnach, „dass alle aus Deutschland gelieferten Waffen oder sonstigen Rüstungsgüter oder solche, die Teile aus Deutschland enthalten, ausschließlich im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht verwendet werden“.

Die Ampel hatte demnach ein solches Dokument eingefordert, bevor nach einer zwischenzeitlichen Drosselung die Exportgenehmigungen wieder gesteigert wurden. Eine Zusicherung, deutsche Waffen nicht im Gazastreifen einzusetzen, enthält das Schreiben nicht.

90
Millionen Euro betrug der Wert der Waffenexporte von Deutschland an Israel im ersten Halbjahr 2025.

Insgesamt hat die Bundesregierung seit dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 Rüstungsgüter in Höhe von 577 Millionen Euro genehmigt. Das teilte das Bundeswirtschaftsministerium auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Von Januar bis Ende Juni habe Deutschland demnach Waffenlieferungen an Israel in Höhe von etwa 90 Millionen Euro genehmigt.

Um welche Waffentypen es sich genau handelt, ist jedoch unklar. Entscheidungen werden im geheim tagenden Sicherheitskabinett getroffen, das Bundesverfassungsgericht urteilte in der Vergangenheit, die Bundesregierung müsse „aus Gründen des Staatswohls“ dazu keine Auskünfte geben.

Wie es in dem Bericht der Wochenzeitung weiter heißt, soll von März 2024 im damals von Annalena Baerbock geführten Auswärtigen Amt (AA) selbstständig entschieden worden sein, bestimmte Ersatzteile für Israels Armee nicht mehr freizugeben – offenbar ohne Wissen des Kanzleramts.

Baerbock offenbar wegen Völkerrechts-Klage besorgt

Im AA nahm man demnach eine damals anhängige Klage wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht ernst. Nur das Wirtschaftsministerium soll eingeweiht gewesen sein. Staatssekretäre in diesen beiden Ministerien dürfen Produkte, die als nicht als heikel gelten, ohne den Bundessicherheitsrat durchwinken.

Zu diesem Zeitpunkt aber sollen die Anträge einfach nicht bearbeitet worden sein – dem Bericht zufolge eine bewusste Verschleppungstaktik, die mit dem Vorgehen der israelischen Armee in Gaza begründet wurde. Die Verantwortlichen wollen sich demnach auf Nachfrage dazu nicht äußern. Bei den Grünen hieß es dem Bericht zufolge nur, angesichts der Haltung von SPD und FDP habe man keine andere Chance gesehen, die Waffenlieferungen zu drosseln.

Kanzleramt soll unter Scholz auf neue Exporte gedrängt haben

Im Sommer 2024 soll die israelische Regierung neue Lieferungen in Berlin angefragt haben, so der Bericht. Konkret sei es um neue Panzermunition und Ersatzteile für Panzer gegangen. Danach sei ein Streit in der Koalition entbrannt.

Dem Bericht zufolge solle das Kanzleramt gedrängt haben, die Exporte wieder hochzufahren. Gelöst habe man das Problem, indem einerseits Exporte nicht auf einen Schlag, sondern monatsweise genehmigt worden seien, um keine öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Andererseits wurde Israel zu der Selbstverpflichtung aufgefordert.

Wie die „Zeit“ weiter schreibt, ging die Bundesregierung bei der Waffe vom Typ „Matador“ definitiv davon aus, dass sie im Gazastreifen eingesetzt werde. Damit, so soll das Kanzleramt argumentiert haben, könnten die Israelis gezielter gegen die Hamas vorgehen.

Ob sich dies bestätigt hat, ist unklar. Die Zeitung schreibt, ihr lägen Videos aus dem Gazastreifen vor, auf denen israelische Soldaten lachend mit „Matador“-Waffen auf Wohnhäuser feuern.

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