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Politik: Wahl in Spanien im Zeichen des Terrors

Nach Mord an Sozialdemokrat vertieft sich die Spaltung des Landes

Blumen liegen auf dem Bürgersteig, Kerzen brennen. Fotos mit dem Gesicht des dreifachen Vaters hängen an der Fassade jenes Hauses, vor dem der 42-jährige Isaias Carrasco mit drei Kugeln von einem Eta-Terroristen erschossen wurde. „Mein Vater wurde ermordet, weil er die Freiheit, die Demokratie und die sozialdemokratischen Ideen verteidigt hat“, sagt eine junge Frau tapfer in die Mikrofone. „Und die ihn töteten, sind nichts anderes als Feiglinge.“ Dann macht Sandra Carrasco, die 20-jährige Tochter des Anschlagsopfers, den wohl bewegendsten Aufruf der spanischen Parlamentswahl an die Nation: „Alle, die sich mit meinem Vater, mit unserem Leid solidarisieren wollen, müssen ihre Stimme abgeben – um den Mördern klarzumachen, dass wir nicht zurückweichen.“ Vor der Gewaltherrschaft der baskischen Terrorgruppe Eta, die seit mehr als 30 Jahren mit Bomben und Genickschüssen die Unabhängigkeit des Baskenlandes erzwingen will.

Die Augen der spanischen Nation richteten sich am Wahltag also auf die baskische Kleinstadt Mondragon in Nordspanien, wo am Freitag der frühere sozialdemokratische Stadtrat nach Mafiamanier niedergestreckt worden war. Ein Attentat, mit dem die Eta den Wahlkampf auf brutale Weise beendete und Rache nahm für das Scheitern der Friedensgespräche mit dem bisherigen spanischen Regierungschef, dem Sozialdemokraten Jose Luis Zapatero. Stunden vor der Öffnung der Wahllokale wurde Carrasco zu Grabe getragen. Tausende Menschen bildeten auf dem Friedhof einen Trauerzug und zugleich eine stille Demonstration gegen den Terror. Und auch gegen Spaniens konservative Opposition, die Zapatero als „Verräter“ und „Terroristenfreund“ beschimpft hatte. Weil er durch Verhandlungen den Frieden suchte.

Vergeblich versuchte der konservative Spitzenkandidat Mariano Rajoy, eilends aus Madrid herbei geflogen, der Familie des Opfers persönlich und fernsehwirksam die Hand zu drücken, wie Zapatero kurz zuvor. Aber die Familie des Toten wollte den obersten Konservativen nicht sehen. Dies zeigt, wie tief die Gräben in der spanischen Gesellschaft geworden sind – auch weil der Rechtskonservative Rajoy vier Jahre lang mit einer harten Radikalopposition nicht nur in Sachen Antiterrorkampf das politische Klima vergiftete.

Mondragon wurde von einer Hundertschaft der Polizei geschützt. Unter den 25 000 Einwohnern kann die Eta auf viele Freunde zählen: „Gora Eta“ – es lebe die Eta – steht an vielen Fassaden. Und das politische Sprachrohr der Terroristen, die Separatistenpartei ANV, stellt die Bürgermeisterin. An der nationalen Parlamentswahl durfte die Partei nicht teilnehmen, weil ihre Repräsentanten die Terroristen gerne als „Volkssoldaten“ hochleben lassen und Attentate grundsätzlich nicht verurteilen. Daraufhin rief die Separatistenpartei ihre Anhänger zum Wahlboykott auf. Wahlergebnisse lagen bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht vor.

Ralph Schulze[Madrid]

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