zum Hauptinhalt
Probelauf in Baden-Württemberg. In Singen geben drei noch nicht volljährige Frauen ihre Stimmen zur Oberbürgermeisterwahl ab (2013).

© dpa

Wahlrecht ab 16 Jahren: Jugend bewegt

Die Fridays for Future sind ein anschauliches Beispiel für das politische Engagement junger Leute. Sie brauchen auch bei Wahlen ihre Chance. Ein Kommentar.

Es war eine historische Entscheidung, vor 50 Jahren das Wahlalter von 21 auf 18 Jahre herabzusetzen. Kaum jemand würde rückblickend ernsthaft bezweifeln, dass sie richtig war. Vielmehr steht heute zur Debatte, ob junge Menschen nicht schon ab 16 Jahren auch an Bundestagswahlen teilnehmen sollten. Diverse Politiker, vor allem links der Mitte, sind dafür.

Teile der Union sträuben sich laut dagegen. Prominentes Beispiel ist der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor, der jüngst mit seiner Lobbyismus-Affäre gezeigt hat, dass man auch mit 27 Jahren noch unreife Entscheidungen treffen kann.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Und da wären wir beim Hauptargument der Verfechter des Volljährigkeitsgebots: Menschen mit 16 verfügten noch nicht über die nötige Reife, um sich auf diese Art am politischen Willensbildungsprozess zu beteiligen. Ist das wirklich so? Und wer legt das so pauschal fest?

Alles andere als politikverdrossen

Eine Senkung des Wahlalters könnte eine Chance sein. Fridays for Future ist wohl das anschaulichste Beispiel dafür, dass viele junge Menschen im Land alles andere als politikverdrossen sind. Dass sie sich engagieren, wenn sie das Gefühl haben, etwas bewegen zu können. Ihnen ab 16 das Wahlrecht zuzugestehen, könnte dazu führen, dass sie - ermutigt von dem Gefühl, politisch Einfluss nehmen zu können – davon Gebrauch machen.

Was eine aktuelle Studie der FU Berlin zu den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen im Jahr 2019 zeigt: Liegt das Wahlalter bei 16 – wie es nur in Brandenburg der Fall war – wirkt sich das auf das politische Bewusstsein aus. Zu Ende gedacht, könnte das dazu führen, dass die politische Landschaft insgesamt belebt würde.

Ein niedrigeres Wahlalter als Mittel gegen fortschreitende Vergreisung. Allen Parteien müsste klar sein, dass politischer Nachwuchs nicht auf Bäumen wächst. Im Umkehrschluss heißt das auch: Wenn Politiker wissen, dass Menschen ab 16 wählen dürfen, werden sie auch einen größeren Anreiz haben, deren Themen und Bedürfnisse ins Wahlprogramm zu schreiben.

Es ist irritierend, dass es derzeit in Deutschland vom Bundesland abhängt, ob 16-und 17-Jährige an Kommunal- oder Landtagswahlen teilnehmen können. Der föderale Flickenteppich sorgt dafür, dass die einen Teenager im besagten Alter zur Wahl gehen können, während Gleichaltrigen, möglicherweise sogar Freunden, nur wenige Kilometer weiter, in einem anderen Bundesland, dieses Recht verwehrt bleibt.

Die Bildung im Elternhaus zählt

Die Studie zu Sachsen und Brandenburg liefert kein schlüssiges Argument gegen eine generelle Absenkung des Wahlalters. Die Autoren verweisen vielmehr auf den Faktor Bildung im Elternhaus, plädieren dafür, eine solche Änderung mit Bildungsmaßnahmen zu flankieren.

Was auch Wissenschaftler in Österreich fordern – dem einzigen Land innerhalb der Europäischen Union, in dem man seit 2007 auf allen politischen Ebenen ab 16 wählen darf. Die Wahlbeteiligung ist seitdem nicht signifikant eingebrochen. Vielmehr ist sie unter jungen Wählern schwankend und dort besonders niedrig, wo Bildungsferne im Elternhaus herrscht.

Wird dort dagegen Wert auf politische Aufklärung gelegt, könnte sich ein niedrigeres Wahlalter den Forschern zufolge positiv auf die Teilhabe der gesamten Familie auswirken. Wenn man bedenkt, dass Menschen mit 16 eher noch zu Hause leben. Nach dem Motto: Wir gehen zwar nicht mehr sonntags gemeinsam in die Kirche, dafür aber Hand in Hand ins Wahllokal. Eine schöne Vorstellung, die man als Träumerei abtun oder eben als Chance begreifen kann.

Klar ist – und das stellen auch die Forscher der FU fest – , dass die Absenkung an sich „kein Selbstläufer“ ist. Aber das ist auch das Wahlalter ab 18 nicht. Und wer es herunterkorrigieren will, rüttelt nicht automatisch an der Definition von Volljährigkeit. Nirgendwo steht geschrieben, dass beides gekoppelt sein muss. Man kann also sehr wohl ab 16 an Bundestagswahlen teilnehmen, aber weiterhin erst ab 18 volljährig sein. Wem würde das schaden?

Fatima Abbas

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false