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Politik: Wahlverwandtschaften

CSU-Chef Stoiber spricht mit DGB-Chef Sommer – und erkennt einige neue Gemeinsamkeiten

Von Robert Birnbaum

Ein Bündnis gegen Angela? Ein bisschen klingt das so. Dass der Deutsche Gewerkschaftsbund das Gesundheitskonzept der CDU mit seinen Kopfpauschalen ablehne, sagt Edmund Stoiber, „findet nicht unseren Widerspruch, um es vorsichtig auszudrücken“. Es ist dies zwar so ungefähr die einzige zentrale Position des DGB, der die CSU derzeit aus vollem Herzen zustimmen kann. Aber die Einigkeit geht doch so weit, dass DGB-Chef Michael Sommer beim Treffen der Gewerkschafts- mit der CSU-Spitze am Montag die Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts vorschlug und Stoiber sofort akzeptierte. Allerdings – das nimmt der Theorie vom Anti-Merkel-Bündnis schon wieder einiges von ihrer Plausibilität – soll das Papier sich vor allem mit einem Spezialaspekt befassen, der im laufenden Unionsstreit über das Gesundheitsmodell der Herzog-Kommission bisher eher am Rande eine Rolle spielt.

Anlass für Sommers Vorschlag, berichten Teilnehmer der Sitzung, war eine Diskussion darüber, wie sich in das Gesundheitssystem mehr Wettbewerb einführen ließe – und was die Gewerkschaftsspitze und die CSU- Spitze jeweils unter Wettbewerb verstehen. Genau damit soll sich die ad hoc gebildete gemeinsame Arbeitsgruppe nun kümmern, an der von CSU-Seite Parteivize Horst Seehofer und Bayerns Sozialministerin Christa Stewens teilnehmen sollen, dazu Stoibers Sonderminister Erwin Huber.

Als Signal ist das gleichwohl bemerkenswert. Die CSU hat sich stets um einen korrekten, ja um einen guten Kontakt zur bayerischen DGB-Führung bemüht – das „Soziale“ im Parteinamen hat Stoiber wie all seine Vorgänger immer betont, und er tut das in der Abgrenzung von der CDU gerade wieder besonders deutlich. Mit der Bundesspitze des Gewerkschaftsdachverbands aber herrschte Funkstille, erst recht seit Sommers Wahlkampfeinsatz für Kanzler Gerhard Schröder und damit gegen den Kanzlerkandidaten Stoiber. Das gut dreistündige Gespräch in München wollten beide Seiten nicht als Versöhnungstreffen gewertet wissen. Aber faktisch war es das schon. Sehr sachlich habe man sich unterhalten, heißt es bei Teilnehmern, im klaren Wissen um die Differenzen. Die bestehen fort, vor allem beim Stichwort „betriebliche Bündnisse für Arbeit“ stehen sich die CSU- und die DGB-Position unvermittelt gegenüber. Auch die Einigkeit darüber, dass es wünschenswert wäre, die Steuerreform 2005 auf 2004 vorzuziehen, ist eine allenfalls sehr grundsätzliche: Schön wär’s, aber Stoiber pocht weiter auf eine solide Finanzierung. Andererseits konnten beide als einigende Punkte festhalten, dass sie gemeinsam gegen ein Rentenalter von 67 Jahren sind, und dass sie darauf drängen, dass Eltern während der Erziehungszeit der Kinder stärker entlastet werden müssten.

„Es war nicht der Beginn einer langen schönen Freundschaft, sondern der Beginn einer langen, fairen Diskussion“, formulierte Sommer als sein Fazit. Der DGB-Chef weiß schließlich, dass seine Gespräche vor Wochen mit der CDU-, jetzt mit der CSU-Führung als Versuch gedeutet werden könnten, sich im bürgerlichen Lager neue Verbündete im Reformstreit zu suchen.

Davon, heißt es aber auch bei der CSU, sei man weit entfernt. „Fehleinschätzungen“ wirft Stoiber den Gewerkschaften erneut vor; sie schätzten die wahre wirtschaftliche Lage des Landes nach wie vor falsch ein. Wenn Sommer bei dem Treffen von einer „sozioökonomischen Zeitenwende“ gesprochen habe, räume er damit immerhin die Notwendigkeit von Reformen ein.

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