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Politik: Was heißt hier Blockade

Von Albert Funk

Der Grund der vorgezogenen Wahl zum Bundestag lässt sich an diesem Samstag besichtigen: Der Bundesrat lädt zum Tag der offenen Tür. Der SPDChef und andere rot-grüne Spitzenpolitiker haben vorgezogene Neuwahlen mit der Dominanz der Union, also der bundespolitischen Opposition, in der Länderkammer begründet. „Die Menschen sollen das strukturelle Patt zwischen Bundestag und Bundesrat beantworten. Sie sollen sagen, von wem sie regiert werden wollen in diesem Land.“ So hat Franz Müntefering es formuliert.

Die rot-grüne Logik lautet also, dass sich bei einer Bestätigung der jetzigen Bundestagsmehrheit der Bundesrat gefälligst zurückhalten soll. Zugespitzt gesagt sollen die Bürger also der – in jedem Fall bleibenden – Mehrheit der Union im Bundesrat die Legitimation entziehen. Es ist eine abenteuerliche Idee: ein Plebiszit über ein Verfassungsorgan mit dem Ziel, es politisch zu lähmen. Ein Verfassungsorgan, das vielleicht Kritik verdient, aber dessen Zusammensetzung auf demokratische Entscheidungen in den Ländern zurückgeht. Ist bei Rot-Grün der Gedanke des Herrschens mittlerweile stärker als der des Regierens?

Natürlich ist der rot-grüne Frust verständlich, dauernd mit einer „andersfarbigen“ Mehrheit im Bundesrat zu tun zu haben. Das hat zunehmend die unverfälschte Umsetzung rot-grüner Politik verhindert, für die die Koalition 2002 eine Mehrheit bekommen hat. Das ist zermürbend. Aber Rot-Grün ist eben auch in den Ländern peu à peu abgewählt worden. Nur so kam ja die andersfarbige Mehrheit im Bundesrat, der Länderkammer, zu Stande.

Und unregierbar hat diese schwarze Gegenmehrheit das Land nicht gemacht. Von Blockade reden SPD und Grüne zwar empört. Wirklich blockiert, also verhindert, hat der Bundesrat in dieser dreijährigen Wahlperiode aber fast nichts. Von den 346 Gesetzen ist seit 2002 kaum eines im Bundesrat gescheitert, von 92 Vermittlungsverfahren endeten 91 mit Kompromissen, denen auch Rot-Grün im Bundestag zustimmte. De facto ist Deutschland also zuletzt von einer informellen Allparteienkoalition regiert worden. Im Kern war es eine Koalition von SPD und Union.

Doch auch wenn von unbedingter Blockade nicht die Rede sein kann – auf Dauer ist diese Situation nicht gut. Nicht für die Regierung, aber auch nicht für die Opposition. Sie verschleiert politische Verantwortung. Sie lässt sowohl die Regierungspolitik unscharf werden als auch die Gegenposition der „Regierung im Wartestand“. Schröders und Münteferings Klärungsversuch durch Neuwahlen aber ist nicht die Lösung. Denn eine Opposition kann und soll sich ja nicht verstecken, sich klein machen. Und wenn sie die Mehrheit in der Länderkammer hat, dann wird sie diese auch nutzen. Sie kann nicht anders, will sie nicht als schwach erscheinen. Der Bundesrat ist eben parteipolitischer geworden, als sich ihn die Grundgesetzmacher gedacht haben. Die Praxis hat sich mal wieder nicht an die Theorie gehalten. Da können Verfassungspuristen noch so lange greinen.

Der richtige Weg, das Bund-Länder-Verhältnis wieder ins richtige Lot zu bringen, liegt daher in der Reform des Systems, in jener Föderalismusreform, die viele lange nicht für wichtig nahmen. Ein neuer Bundestag, egal wie er zusammengesetzt ist, sollte sich daher schleunigst an diese Reform machen. Die Linien sind vorgegeben: Rückverlagerung von Zuständigkeiten auf die Landtage, weniger Einfluss der Landesregierungen im Bundesrat auf die Bundespolitik, die wieder mehr Freiraum hätte. Die Vorarbeiten sind geleistet. Das Ergebnis darf zwar ruhig noch mutiger ausfallen als das, was Müntefering und Bayerns Ministerpräsident Stoiber erarbeitet haben, das nun aber in der Schublade liegt. Noch mehr Trennung der beiden föderalen Ebenen wäre gut.

Das bedeutet Verzicht auf beiden Seiten. Doch jeder Verzicht brächte Gewinn – an Klarheit und Berechenbarkeit. Das hätte man allerdings längst haben können, ganz ohne Neuwahlen. Im vorigen Jahr nämlich, als Bundesrat und Bundesregierung sich bei der Föderalismusreform gegenseitig blockierten.

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