zum Hauptinhalt

Politik: Was sind schon vier Millionen - Die philippinischen Geiseln und das Lösegeld (Kommentar)

Es ist nicht Brauch, dass Regierungen Lösegeld an Kidnapper zahlen, schon gar nicht an Banditen, die aus dem Leid ihrer Geiseln ein globales Medienereignis machen. Es ist ein natürlicher Reflex, diesen diplomatischen Brauch als grausam, zumindest als sehr hart zu empfinden.

Es ist nicht Brauch, dass Regierungen Lösegeld an Kidnapper zahlen, schon gar nicht an Banditen, die aus dem Leid ihrer Geiseln ein globales Medienereignis machen. Es ist ein natürlicher Reflex, diesen diplomatischen Brauch als grausam, zumindest als sehr hart zu empfinden. Die Öffentlichkeit, und, schlimmer noch: die Geiseln auf Jolo selbst haben das Gefühl, dass nicht genug für ihre Freilassung getan wird.

Vier Millionen Mark wollen die Entführer, dann lassen sie Renate Wallert frei. Was sind schon vier Millionen für eine Bundesregierung? Und was wären vier Millionen für, sagen wir, die "Bild"-Zeitung? Das ist sicher: Gäbe es ein Spendenkonto für Frau Wallert, das Geld käme binnen weniger Stunden zusammen. Sat 1 könnte ebenfalls zahlen; immerhin hat der Sender die Exklusivrechte an der Wallert-Story. Auch ein Diakon aus Göttingen überlegt schon, ob er für die Opfer von Jolo sammeln sollte.

Renate Wallert retten, nichts leichter als das? Leider hat der alte diplomatische Brauch gute Gründe. Der erste: Wer Lösegeld zahlt, heizt das Geschäft der Entführer an. Genau wie jene Reiseveranstalter, die einen entführungsfreien Urlaub im Jemen versprechen, wenn man nur vorher eine kleine oder auch größere Summe an ein jemenitisches Konto überweist.

Der zweite Grund ist mindestens genauso wichtig: Warum sollte man für Frau Wallert zahlen, aber nicht für die junge Südafrikanerin Monique Strydom, die offensichtlich schwanger ist und von der die Ärzte sagen: "Wir empfehlen, dass sie aus der Situation befreit wird"? Die Befreiung würde aus ärztlicher Sicht wohl auch anderen bekommen. Den anderen Frauen zum Beispiel, wie der Libanesin Marie Moarbes oder der Französin Sonja Wendling, an denen sich die Entführer "vergreifen", wie es heißt. Uns ist Renate Wallert besonders nah, weil sie Deutsche ist und weil sie so offensichtlich leidet. Wer aber weiß, wie die anderen Geiseln leiden? Und wer sagt, dass die Entführer Renate Wallert wirklich freilassen, wenn sie das Geld haben? Offensichtlich handelt es sich um eine zerstrittene Gruppe.

Es klingt unmenschlich, aber es stimmt: Wer Lösegeld für Frau Wallert zahlt, muss dafür eine Hypothek aufnehmen auf das Leben der anderen Geiseln und jener Touristen, die heute noch - relativ - gefahrlos Urlaub machen.

Tanja Stelzer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false