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Politik: „Was wir beschließen, vertreten wir“

Katrin Göring-Eckardt über den Streit um die Hartz-Gesetze und Oskar Lafontaine als Volkstribun

Oskar Lafontaine hat am Montag in Leipzig den Ton getroffen. Ist er die neue Stimme des Ostens?

Bestimmt nicht. Oskar Lafontaine hat in Leipzig den Leuten, die vor ihm standen, nach dem Mund geredet. Aber er hat keinen einzigen Vorschlag gemacht, wie tatsächlich mehr Gerechtigkeit geschaffen werden könnte. Die Menschen merken, dass er ihnen etwas vormacht. Sie werden sich sehr schnell von ihm abwenden.

Warum taugt sein Rezept nicht, das Geld von den Reichen zu nehmen?

Lafontaine ist nicht ehrlich. Er weiß genau, dass man nicht über Nacht neues Geld von den Millionären holt. Gerechtere Steuer- und Sozialsysteme sind nötig. Aber die Arbeitsmarktreformen erledigen sich dadurch nicht. Das glauben auch die Menschen in Ostdeutschland nicht.

Manche sehen wegen der Stimmung im Osten die Einheit als gescheitert, die Demokratie als gefährdet. Ist es so dramatisch?

Wir sollten sehr genau hinschauen. Es gibt auch Boom-Regionen im Osten. Viele 50-Jährige, die in der DDR aufgewachsen sind, wenden sich allerdings enttäuscht ab, weil sie für sich keine Chance mehr sehen. Dabei gibt uns Hartz IV Instrumente in die Hand, um auch ihnen individuell zu helfen. Auf der anderen Seite sieht die jüngere Generation Chancen für sich und ist bereit, sie zu nutzen. Die Einstellung zur Demokratie in den neuen Ländern macht mir aber tatsächlich Sorgen, weil etwa bei Jugendlichen schon vor Jahren die Ablehnung stieg. Aber das ist kein Problem, das erst durch Hartz IV ausgelöst worden ist.

Sind die Montagsdemonstrationen repräsentativ für den Osten?

Sie sind ein Teil des Ostens, aber nicht der ganze Osten. Es gibt viele Ängste. Aber es gibt auch im Osten große Tatkraft sowie Reform- und Risikobereitschaft. Wer jetzt laut über die Transferleistungen von West nach Ost schimpft, sollte zur Kenntnis nehmen, dass viele Menschen im Osten schon lange viel flexibler auf Umbrüche reagiert haben als manche im Westen.

Was bietet Hartz IV dem Osten?

Wichtig ist die Grundbotschaft: Für jeden gibt es einen Platz in der Gesellschaft, wir wollen Menschen nicht mehr länger nur aufs Abstellgleis schieben. Das haben wir lange genug gemacht. Jetzt werden die Arbeitslosen gefragt werden: Was kannst du, wo ist deine Arbeitskraft etwa in unserer Kommune gefragt? Ich bin zuversichtlich, dass auch Langzeitarbeitslose im Osten erleben werden, dass sie von den neuen Möglichkeiten der Förderung profitieren.

In der SPD gibt es Unmut über die Grünen. Juso-Chef Böhning wirft ihnen vor, sie seien neoliberal, machten Klientelpolitik.

Das ist Unsinn. Wir machen keine Politik für Besserverdienende. Wir machen Lobbypolitik für die Menschen, die sonst keine Lobby haben. Zum Beispiel haben wir uns viele Vorwürfe eingehandelt, weil wir auch bei den Hartz-Gesetzen immer wieder den sozialen Ausgleich angemahnt haben.

Sehen Sie das Klima in der Koalition gefährdet durch solche Vorwürfe der SPD?

Nein. Die Koalition steht gemeinsam zu dem Beschlossenen und im Übrigen setzen wir uns mit der Opposition auseinander. Nebenbei: Der mir vorgeworfene Pietismus und die Arbeiterbewegung passen – auch historisch – außerordentlich gut zusammen. Beiden geht es darum, frühzeitig soziale Probleme zu erkennen und angemessene Lösungen vorzuschlagen.

Sind Sie dem Kanzler dankbar, dass er die Grünen nur intern und nicht öffentlich als Reformgewinner rüffelt?

Wenn der Kanzler uns etwas zu sagen hat, wird er uns das direkt sagen. Für uns gilt: Was wir gemeinsam beschlossen haben, vertreten wir auch gemeinsam.

Das Gespräch führte Hans Monath.

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