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Hans Modrow 2018 als Redner beim Bundesparteitag der Linkspartei.

© dpa/Britta Pedersen

Zum Tod von Hans Modrow: Weder Paradies noch Hölle

Vom Maschinenschlosser zum letzten DDR-Regierungschef der SED: Der Politiker war zunehmend auch in der Linkspartei ins Abseits geraten.

Sein Vater war Seemann, sein Bruder fuhr zur See. Er selbst lernte Maschinenschlosser, schlingerte dafür auf den Wellen der Geschichte, mal offen, mal starrköpfig, oft nur schwer festzulegen. Bis er sich zuletzt sogar mit der Linkspartei zu überwerfen schien, die sein Lebenswerk lange Jahre mit ehrfürchtiger Wertschätzung bedachte.

Hans Modrow, der letzte SED-Regierungschef der DDR, ist am Sonnabend im Alter von 95 Jahren in Berlin gestorben.

Seine wohl beste Zeit hatte der in Vorpommern geborene Politiker um die Wende herum. Er profilierte sich als „Gorbatschow der DDR“ – eine Zuschreibung, die bis heute wirkt, wenn ihn seine Partei, die Linke, im Nachruf rühmt, der „gesamte friedliche Verlauf der Herstellung der deutschen Einheit“ sei „gerade ein besonderes Verdienst von ihm“.

Neutraler formuliert ist es das Verdienst eines Moderators, der die unerwartete Situation des Mauerfalls wendig im Sinne aller Seiten zu nutzen versuchte.

Erst nach Honeckers Entmachtung stieg er ins Politbüro auf

Dies konnte er glaubhaft tun, weil er als einer der ersten an der DDR-Staatspitze gespürt hatte, dass sich der Wind drehte, und der von Gorbatschow höher geschätzt wurde als der umtriebige Egon Krenz, der beim Mauerfall die höhere Position innehatte.

Modrow war zu diesem Zeitpunkt schon 25 Jahre lang Erster Sekretär der Dresdener Bezirksleitung der SED, stieg aber erst nach der Entmachtung Honeckers in den höchsten Machtzirkel, das Politbüro, auf.

Schon damals galt er als reformwillig, als Mitinitiator des Dresdener Dialogs mit Oppositionellen; Honecker ließ ihn schon 1988 massiv überwachen, um Beweise für einen Hochverrat zu sammeln. Modrow lavierte weiter zwischen den Lagern bis zum Ende der DDR.

Noch am 3. Oktober 1989 ließ er 1320 Dresdener festnehmen, die bei der Durchfahrt der Flüchtlingszüge aus Prag demonstrierten; die Entscheidung zur Freigabe der Züge nannte er „unsinnig“.

Er bekannte sich zur „Gemeinsamkeit der deutschen Nation“

Dann ging alles ganz schnell. Einen Tag vor dem Mauerfall stieg Modrow ins Politbüro des ZK der SED auf, vier Tage danach war er Ministerratsvorsitzender als Nachfolger von Willy Stoph. Im Januar 1990 besuchte er Moskau und übergab dort einen Wunschzettel der DDR für die Verhandlungen.

In der Folge bekannte er sich zur „Gemeinsamkeit der deutschen Nation“ und nahm Vertreter des oppositionellen „Runden Tischs“ in die Übergangsregierung auf.

Kurz vor der ersten Volkskammerwahl traf er eine politisch weitreichende Entscheidung, die als „Modrow-Gesetz“ in die Geschichtsbücher gelangte: DDR-Bürger sollten die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen, günstig kaufen dürfen. Die Meinungen gingen auseinander, ob damit ein tatsächliches Staatsvermögen verschleudert wurde oder nur ein fiktives.

Nach der Wahl übernahm Lothar de Maizière für die CDU das Amt des Ministerpräsidenten, und Modrows Ruf als Reformer verblasste.

In der von ihm mitgegründeten PDS, deren Ehrenvorsitzender er wurde, trat er ins zweite Glied, erst als Volkskammerabgeordneter, dann als Bundestagsmitglied, schließlich bis 2004 als Europa-Abgeordneter. In der juristischen Aufarbeitung des DDR-Unrechts blieb einiges auch an ihm hängen: 1994 wurde er zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe wegen Wahlfälschung und meineidlicher Falschaussage im Zusammenhang mit den Dresdener Unruhen verurteilt.

Schon unmittelbar vor dem Vollzug der Vereinigung legte er sich auf einen Kurs fest, der seine Arbeit bis zuletzt bestimmte: Es habe sich um einen „Anschluss“ gehandelt, „bei dem eine Seite alles diktierte und die andere alles hinnahm“.

Später verhärteten sich seine Standpunkte: Den Schießbefehl an der innerdeutschen Grenze nannte er eine „Schusswaffengebrauchsbestimmung“ und wies die Verantwortung für die Mauertoten beiden Seiten zu.

So wurde er spät zum Helden der Neostalinisten seiner Partei, die erst deutlich von ihm abrückte, als er 2022 die Frage stellte, ob der Ukraine-Krieg nicht doch ein „innerer Bürgerkrieg“ des Landes im Kampf mit „faschistischen Elementen“ sei.

Über die DDR hatte er eine feste Meinung: Sie sei „weder Paradies noch Hölle“ gewesen. 

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