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Politik: „Wehe dem Gleichgültigen“

Das Holocaust-Gedenken veranlasst Ehud Olmert in Berlin, an heutige Gefahren für Israel zu erinnern

Berlin - An einem Ort, der an die Verpflichtung der deutsch-jüdischen Geschichte mahnt, kam der hohe Gast auf Grundsätzliches zu sprechen. „Wehe dem, der den Drohungen keinen Glauben schenkt“, dozierte Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am Dienstag bei einer Kranzniederlegung an der Gedenkstätte des Bahnhofs Grunewald: „Wehe dem Gleichgültigen, der sich nicht darauf vorbereitet, den Gefahren zu trotzen.“ Am Mahnmal an Gleis 17, von wo rund 55 000 Juden in Vernichtungslager deportiert worden waren, nannte es der Regierungschef zum Auftakt seines Deutschlandbesuchs eine Lehre des Holocaust, dass Schwachen und Wehrlosen der Untergang drohe. Gemeint war die drohende iranische Atombewaffnung, gegen die Israel notfalls militärisch vorgehen will.

Das Teheraner Atomprogramm und die Bemühungen zu seiner Eingrenzung waren am Nachmittag auch wichtigstes Thema von Olmerts Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel. Die besondere Wertschätzung des Gastes hatte Merkel mit einer Umarmung und zwei Küsschen für Olmert schon bei der Begrüßung vor dem Kanzleramt demonstriert. Merkel gilt in Israel als besonders verlässliche Unterstützerin.

Nach dem Treffen begrüßte Olmert die Ankündigung der Kanzlerin, Deutschland wolle im Rahmen der EU-Präsidentschaft 2007 neue Initiativen für eine Lösung des Nahostkonflikts unternehmen. Olmert zeigte sich „sehr beeindruckt“ von Merkels „Festigkeit und ihre Neugierde, über Komplexitäten zu lernen, in denen wir uns befinden“. Israels kritische Haltung gegenüber der Reaktion der Weltgemeinschaft auf das iranische Atomprogramm kam nur ansatzweise zur Sprache: Der israelische Premier lobte erst die internationalen Anstrengungen, bevor er verlangte, eine UN-Resolution müsse auch „eindeutig scharf gefasst“ sein und Wirkung zeigen.

Die Debatte um die von Olmert als „Fehler“ bezeichnete Reise von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Syrien spielte laut Merkel in dem Gesprächen keine Rolle. Olmert bekräftigte, Steinmeier und er seien „gute Freunde“, doch auch nachdem sie sich noch einmal ausgetauscht hätten, seien sie bei ihrer Haltung geblieben. Die Kanzlerin verteidigte die Reise, machte aber zugleich deutlich, dass dieser Versuch umstritten war und in ihren Augen bislang keinerlei positive Ergebnisse gebracht habe. In ihrer skeptischen Einschätzung hatte sie auch der libanesische Ministerpräsident Siniora bestärkt, zu dem sie in der Libanonkrise ein vertrauensvolles Verhältnis entwickelte. Wie Israel lehnt auch Siniora eine Aufwertung Syriens ab.

Laut israelischen Medienberichten war Olmert mit dem Vorsatz nach Berlin gereist, seine Verärgerung darüber zum Ausdruck bringen, dass Deutschland in der Iranfrage mit doppelten Standards arbeite. Einerseits bemühe sich die Bundesregierung gemeinsam mit der EU um einen Stopp des iranischen Atomprogramms, auf der anderen Seite vergebe sie Bürgschaften für deutsche Irangeschäfte in Millionenhöhe. Öffentlich hatte Olmert gewarnt, Deutschland dürfe im Atomstreit sein Interesse an Geschäften mit dem Iran nicht über seine moralischen Verpflichtungen gegenüber der Existenz Israels stellen. Nach dem Treffen im Kanzleramt sprachen aber weder Merkel noch Olmert die deutschen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran an.

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