zum Hauptinhalt

Politik: Weiße Kragen bleiben weiß

Die Aufklärung von Wirtschaftskriminalität und Korruption in Deutschland leidet unter Personalmangel

Die Bekämpfung von Korruption und Wirtschaftskriminalität wird in Deutschland „viel zu schwach“ und „häufig unprofessionell“ betrieben, weil „Politik und Regierungen unter dem Druck der Unternehmerlobby offenkundig kein Interesse“ an der Aufdeckung solcher Straftaten haben. Diese Auffassung vertrat die Bielefelder Jura-Professorin Britta Bannenberg bei einer Tagung des Journalistenverbandes Netzwerk Recherche in Wiesbaden. Bannenberg verfolgt seit zehn Jahren die Entwicklung der „white collar crimes“ (Weiße-Kragen-Verbrechen) in Deutschland. Am schwersten wiege die „nach wie vor viel zu geringe Personalausstattung“ der zuständigen Staatsanwaltschaften, sagte sie. Fast überall mangele es an wirtschaftskundigen Ermittlern. Darum würden die illegal erworbenen Vermögen in Milliardenwert meist nicht abgeschöpft. „Immer wieder werden hochkarätige Fälle aufgedeckt, und dann bleibt die Verfolgung stecken“, berichtete die Korruptionsforscherin und verwies zum Beispiel auf die Bestechungsaffäre rund um den Ausbau des Flughafens in Hannover. Dort seien die Ermittler auf Hinweise gestoßen, dass die beteiligten Firmen auch in Hamburg und anderen Ländern geschmiert hätten. Doch die dortigen Behörden hätten aus Überlastung die notwendigen Verfahren gar nicht erst eröffnet.

Der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolf Schaupensteiner bestätigte Bannenbergs Anklage mit seinen Erfahrungen. Er habe bereits „einige hundert Verfahren einstellen müssen, weil es einfach an Ermittlern mangelt“ und nach fünf Jahren die Verjährungsfrist greife. Schaupensteiner gilt mit vielen spektakulären Fällen als Deutschlands erfolgreichster Korruptionsbekämpfer. Beispielhaft sei der große Komplex rund um die Deka-Immobilienfonds der Sparkassen, wo unter Beteiligung von Managern der Deutschen Bank überteuerte Grundstücke zu Lasten der Anleger erworben und die Gewinne unter den Tätern aufgeteilt wurden. Dieses Verfahren umfasse mittlerweile 170 Beschuldigte und erstrecke sich „rund um die Welt“. Allein die Korrespondenz mit den vielen Anwälten ergebe jeden Monat einen Berg von Schriftsätzen. Trotzdem sei er der einzige bearbeitende Staatsanwalt und werde nur von drei Polizisten des Landeskriminalamts unterstützt. Die Verweigerung von mehr Personal durch die Landesregierung könne jedoch „nichts mit den Kosten zu tun haben“, erklärte Schaupensteiner. „Wir erwirtschaften durch verbesserte Abschöpfung der illegalen Vermögen ein Vielfaches der Kosten“, versicherte er. Darum sei zu vermuten, dass die mangelhafte Verfolgung von Wirtschaftskriminellen ebenso wie der Verzicht auf Betriebsprüfungen und Kartellverfahren als eine Art Wirtschaftsförderung betrieben werde. Die Folge sei, „dass Korruption in Deutschland kein Skandal mehr ist, sondern alltäglich“. Wo immer er nachfasse, werde er auch fündig.

Mit ihrem Laisser-faire verstoßen Bund und Länder jedoch gegen die von Deutschland unterzeichneten Konventionen der UN und der OECD, mahnte Bannenberg. So sei Deutschland eines der letzten Länder in Europa, in denen es kein Strafrecht für Unternehmen gebe. Stattdessen würden sie immer nur mit Ordnungsstrafen von höchstens einer Millionen Euro belegt, selbst wenn die Schäden für die öffentliche Hand oder andere Unternehmen im dreistelligen Millionenbereich liegen. In der Regel seien die vielen Ethik-Schwüre in deutschen Unternehmen „meist nur heiße Luft“. Schließlich drohten stets nur einzelnen Managern, nicht jedoch ihren Unternehmen wirkliche Sanktionen. Prävention finde daher kaum statt. Darüber hinaus bedürfe es der Einführung von Telefonüberwachung und auch einer „spezifischen Kronzeugenregelung für Korruptionsdelikte“, forderte die Expertin. Andernfalls treffe Deutschlands Strafrecht „nur noch die Dummen“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false