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Weiterhin Ausnahmezustand auf dem Wiener Westbahnhof. Tausende Flüchtlinge warten am Donnerstag auf ihre Weiterreise in Richtung Deutschland.

© Heinz-Peter Bader/Reuters

Weiter großer Andrang aus Ungarn: Zugverkehr nach Österreich unterbrochen

Wer gehofft hatte, der Strom der Flüchtlinge, die über Ungarn nach Österreich weiterziehen, würde abebben, wurde am Donnerstag eines besseren belehrt. Nach wie vor kommen Tausende.

Am frühen Nachmittag des Donnerstags waren es schon fast 5000 Flüchtende, die seit Mitternacht österreichischen Boden betraten – die meisten in Nickelsdorf an der Hauptverbindung von Budapest nach Wien, einige auch an anderen Grenzübergängen südlich davon. Sie kamen mit Zügen und Autobussen und zu Fuß. Der von Ungarn nicht zuvor signalisierte Andrang war so groß, dass die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) den gesamten Zugverkehr aus und nach Ungarn „wegen massiver Überlastung” zu Mittag einstellten. Für wie lange, blieb vorerst offen. Das war zuletzt in der Ungarn-Krise 1956 der Fall gewesen. Gegen 15 Uhr kamen noch einmal 1000 Flüchtlinge in Nickelsdorf mit einem Zug aus Budapest an.

Um die Flüchtlinge wie am vergangenen Wochenende, als 15 000 Flüchtlinge innerhalb von 48 Stunden aus Ungarn kamen, direkt weiter nach Deutschland zu bringen, fehlten den ÖBB am Donnerstag Züge, Personal – und möglicherweise auch das klare Einverständnis der deutschen Behörden. Schon seit Mittwochmittag warteten laut Innenministerium 4000 Flüchtlinge in Nickelsdorf und über 2000 in Wien auf die Weiterreise. Die müssen am Westbahnhof bleiben, werden da aber von den österreichischen Helfern und Behörden wieder gut versorgt.

Weil die meisten in Hochsommerkleidung ankommen, fehlt inzwischen wärmere Kleidung. Obwohl noch mehr als bisher junge Männer eintreffen, wirken sie „müde und erschöpft“, sagte ein Sprecher des Roten Kreuzes. Wie in den letzten Wochen stellten nur ganz wenige einen Asylantrag in Österreich, die Rede ist von 20 Personen.

Sozialminister Rudolf Hundsdorfer (SPÖ) hat in Aussicht gestellt, dass auch Österreich die Frist zur Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen verkürzen könnte. Das hatte am Mittwoch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker von allen EU-Ländern gefordert. Derzeit ist in Österreich der Abschluss des langwierigen Asylverfahrens Bedingung, während in Deutschland Flüchtlinge schon drei Monate nach ihrer Ankunft arbeiten dürfen. Als vorübergehende Unterkünfte bot die Industriellenvereinigung am Donnerstag Betriebsstätten vieler ihrer Mitgliedsfirmen an und appellierte an Regierung und Behörden, wie in Deutschland durch die Erleichterung gesetzlicher Bestimmungen „mehr Hilfe zuzulassen“.

Der Andrang wird wohl anhalten und noch wesentlich größer werden als vergangene Woche. In Wien hieß es, dass am Donnerstagnachmittag noch 5000 Flüchtlinge Richtung serbisch-ungarischer Grenze unterwegs waren. Der ungarische Grenzzaun aus Stacheldraht scheint kein Hindernis mehr zu sein. Bis Österreich dauert die Zugfahrt dann noch einen Tag. In der ungarischen Hauptstadt Budapest war der Ostbahnhof wegen Überfüllung vorübergehend geschlossen worden, 2000 Menschen warteten dort auf die Weiterreise.

Reinhard Frauscher

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