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Weltklimakonferenz: Emotionsgeladener Gipfel auf Bali

Tränen, Wortgefechte, Jubel: Nach 13 Verhandlungstagen und mehreren kurzen Nächten lagen bei vielen Delegierten auf Bali die Nerven blank. Die Klimakonferenz ist knapp am Scheitern vorbeigeschrammt. Bundesumweltminister Gabriel ist erschöpft, aber erleichtert.

Als die Türen des Plenarsaals bei der Weltklimakonferenz nach einer an Dramatik kaum zu überbietenden Schlusssitzung endlich aufgingen, wehte richtig frischer Wind hinaus. Die Klimaanlage muss drinnen auf Tiefkühlgang geschaltet gewesen sein - ein geschickter Schachzug des Konferenzpräsidenten, denn es gab einige hitzige Gemüter, die dringend der Abkühlung bedurften.

Ein höchst verärgerter Einwurf der Chinesen, die eine Entschuldigung des Klimasekretariats verlangten, ein Chef des Klimasekretariats, Yvo de Boer, der völlig fertig und in Tränen aufgelöst das Podium verlassen musste - dazu noch emotionsgeladene Ovationen für konstruktive Beiträge - wie den der Europäischen Union - und aufgebrachte Buh-Rufe für Blockadeaktionen - wie die der USA.

Dramatisches Verhandlungsende

Derart aufregende Schlussminuten haben auch routinierte Klimaverhandler noch selten gesehen. "Es war eine der dramatischsten Runden in der 15-jährigen Klimaschutz-Geschichte", sagte der Klimaexperte der Umweltorganisation Germanwatch, Christoph Bals, der alle Konferenzen mitgemacht hat. Die Konferenz hatte länger gedauert als die von Kyoto 1997.

Die in zwei aufeinanderfolgenden Nachtsitzungen - den Ministern blieben nur wenige Stunden Schlaf - mühsam erarbeiteten Kompromisslinien, drohten in den Schlussstunden noch einmal zusammenzubrechen. Die resolute US-Delegationsleiterin Paula Dobriansky setzte auf die Karte Risiko und torpedierte einen neuen indischen Vorstoß. Doch sie pokerte zu hoch. Keiner folgte ihr - die Japaner blieben vage. Schließlich standen die USA völlig isoliert da.

Dann meldete sich Dobriansky noch einmal zu Wort. Mucksmäuschenstill war es im Saal. Die USA wollten einer Einigung nicht entgegenstehen - Riesenjubel unter den Delegierten. Nach schwieriger Geburt war das Bali-Mandat da.

Ban Ki Moon: "Die Welt blickt heute auf uns"

Zuvor war UN-Generalsekretär Ban Ki Moon noch einmal auf die Ferieninsel eingeschwebt. Als er das Plenum betrat, standen die Delegierten auf und klatschten. "Die Welt blickt heute auf uns", sagte Ban. Er appellierte an die Verantwortung der Staatengemeinschaft für den Planeten und die nachfolgenden Generationen und forderte einen Kompromiss. "Keine Delegation kann alles bekommen, was sie will." Die Dramaturgie für eine Einigung war nicht mehr zu überbieten.

Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte sich in den intensiven Verhandlungstagen zu einem Darling der Weltpresse gemausert. Offen, gesprächsbereit, auf Englisch und Deutsch stets mit ein paar trefflichen Einschätzungen dabei - das gefällt den Reportern aus aller Welt, die ansonsten oft frustriert hinter ihren eigenen Ministern herjagen. Für die Amerikaner war er zu offen. Von ihrer Delegationsleiterin Paula Dobriansky - stets abgeschirmt in ihrem Tross - kamen kühl und distanziert immer nur die gleichen Sätze - und keinerlei Einschätzung.

Trotz unerträglich schwüler Hitze im Tropenparadies war Gabriel stets ganz korrekt in Anzug, gebügeltem weißem Hemd und roter Krawatte unterwegs - die Schweißperlen auf der Stirn wischte er einfach weg. Und auch nach durchwachter Nacht in immer neuen Krisensitzungen war er noch fit für die Kameras. Yvo de Boer war kleidungsmäßig dagegen unter die Einheimischen gegangen und trat vorzugsweise im Batikhemd auf.

Die Runde hatte bis zuletzt mit harten Bandagen gekämpft. Gerüchte über Drohungen und gar Erpressungen machten die Runde. Die Europäer drohten damit, die von US-Präsident Bush gestartete separate Klimaschutzrunde der größten Volkswirtschaften platzen zu lassen, wenn Bali kein vernünftiges Ergebnis bringen würde. Es zeigte Wirkung - nach diesem Auftritt kam Bewegung in die bis dahin starre US-Delegation. "Na ja, es sind natürlich taktische Spielchen - aber wenn wir Europäer nicht so unzimperlich gewesen wären, wären wir auch nicht so weit gekommen", sagte ein EU-Delegierter.

Die USA ins Boot geholt

Für die Europäer, die auf Bali ihrer Rolle als Klimaschutzvorreiter alle Ehre machten, ist das Ergebnis zufriedenstellend. Sie hätten gerne mehr gehabt - einen klaren Hinweis, dass die Industrieländer ihre Emissionen bis 2020 um 15 bis 40 Prozent reduzieren müssen. Doch war das mit den Amerikanern nicht zu machen. Um die USA im Boot zu haben - und in der Hoffnung, dass sich nach den Wahlen dort im nächsten Jahr an der Klimaschutzfront einiges tut - ließen sie sich auf obskure Fußnoten ein, die letztendlich auf dieses Ziel verweisen.

"Ende gut, alles gut", sagte Gabriel erleichtert, als alles unter Dach und Fach war. Fast kein Delegierter hatte es die ganzen Tage über an den schönen Strand oder die türkisfarbenen Pools geschafft. "Ich gehe jetzt irgendwo schwimmen, tschüss", sagte Gabriel zum Abschied. Doch ihm blieben nur noch gut drei Stunden bis zum Rückflug in die Kälte.

Edgar Bauer, Christiane Oelrich[dpa]

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