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Politik: Wende im „Hakenkreuz-Fall“: Verletzte Mädchen sich selbst?

Berlin - Im Fall einer mutmaßlich von Rechtsradikalen verletzten 17-Jährigen im sächsischen Mittweida zeichnet sich eine Wende ab. Die Jugendliche hatte Anfang November Anzeige gegen vier mutmaßliche Neonazis erstattet, die sie nach ihren Angaben auf dem Parkplatz eines Supermarkts angegriffen und ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt hatten.

Berlin - Im Fall einer mutmaßlich von Rechtsradikalen verletzten 17-Jährigen im sächsischen Mittweida zeichnet sich eine Wende ab. Die Jugendliche hatte Anfang November Anzeige gegen vier mutmaßliche Neonazis erstattet, die sie nach ihren Angaben auf dem Parkplatz eines Supermarkts angegriffen und ihr ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt hatten. Das Mädchen gab an, einer Sechsjährigen zu Hilfe geeilt zu sein, die angeblich ebenfalls angegriffen wurde. Doch inzwischen haben Polizei und Staatsanwaltschaft an dieser Version erhebliche Zweifel: Weil zwei von einander unabhängige medizinische Gutachten belegen, dass sich das Mädchen die Schnittverletzung auch selbst zugefügt haben könnte, ermitteln die Behörden nun auch gegen die 17-Jährige – wegen des Vortäuschens einer Straftat.

Was genau in den beiden Gutachten steht, dazu wollte sich der zuständige Oberstaatsanwalt unter Berufung auf das laufende Verfahren gegenüber dem Tagesspiegel nicht äußern. Nach Angaben eines Berliner Rechtsmediziners gibt es bei Hieb- und Stichwunden bestimmte Merkmale, die dafür sprechen, dass sich das mutmaßliche „Opfer“ selbst verletzt hat. So sei aus rechtsmedizinischer Sicht relevant, an welcher Stelle des Körpers sich die Wunde befände. Für Selbstverletzungen mit Hieb- und Stichwaffen kommen generell alle Körperteile bis auf die Stelle zwischen den Schulterblättern infrage – sie ist ohne Fremdeinwirkung praktisch nicht zu erreichen. Bei der Beurteilung von Schnittwunden nach einem bestimmten Muster sei vor allem die Tiefe der einzelnen Schnitte maßgeblich, sagt der Mediziner: Eine ähnliche Tiefe spreche eher dafür, dass sich der Betroffene die Verletzung selbst beigebracht hat. Dagegen seien zusätzliche Verletzungen des „Opfers“ ein Indiz für Fremdverschulden.

Ob das eine oder andere auf die Schnittwunde im Fall von Mittweida zutrifft, blieb am Dienstag offen. Die Polizei ermittele derzeit in „alle Richtungen“, hieß es. Neben den medizinischen Gutachten scheinen die Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage des Mädchens auch darauf zu gründen, dass sich trotz der Auslobung von Belohnungen von rund 10 000 Euro bislang keine Zeugen für den Vorfall finden ließen. Auch gebe es bislang keinen verwertbaren Anhaltspunkt zur Person der angegriffenen Sechsjährigen. Die Polizei hatte zunächst ein Kind ermittelt, das sie für die Betroffene hielt. Diese Annahme ist laut Staatsanwaltschaft inzwischen widerlegt. Sarah Kramer

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