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Politik: „Weniger reden, mehr tun“

Georgiens Ex-Staatschef Schewardnadse stimmt bei der Präsidentenwahl für den Mann, der ihn gestürzt hat – und gibt ihm Ratschläge

85 Prozent, möglicherweise auch mehr für Michail Saakaschwili, den klaren Favoriten der Präsidentenwahlen in Georgien – so jedenfalls lauteten erste Hochrechnungen am Sonntagabend um 21 Uhr Ortszeit. Das war eine Stunde, nachdem die 2800 Wahllokale in der Ex-Sowjetrepublik Georgien ihre Türen schlossen.

Für den 36-jährigen ehemaligen Oppositionschef, den Führer der „samtenen Revolution“ in Georgien, stimmte sogar der Mann, dessen Rücktritt die vorgezogenen Neuwahlen überhaupt erst notwendig gemacht hatte: Eduard Schewardnadse, der nach massiven Vorwürfen wegen Fälschung der Ergebnisse der Parlamentswahlen am 2. November drei Wochen später von Saakaschwili und dessen Verbündeten vom Thron gestoßen wurde.

Ohne Frühstück, sagte Schewardnadse wartenden Journalisten, und ohne Wut im Bauch, habe er für den Mann gestimmt, der als einziger Chancen hat, ihn zu beerben. Kurz vor der Abstimmung hatte es geheißen, dass für Saakaschwilis Konkurrenten Umfragen zufolge maximal 15 Prozent votieren wollten.

Kleine Bosheiten konnte sich der entmachtete Übervater Georgiens dennoch nicht verkneifen: Saakaschwili sei zwar „talentiert, energisch“ und habe eine „gute Bildung, muss jedoch lernen, weniger zu reden und mehr zu tun".

In der Tat erinnert Saakaschwilis Wahlergebnis an die Zustimmungsraten, die in den UdSSR-Nachfolgestaaten gewöhnlich nur die autokratischen Herrscher Zentralasiens verbuchen. In Georgien indes ist das überragende Ergebnis des Siegers in erster Linie ein Ausdruck des allgemeinen Wunsches nach Veränderungen und ein Vertrauensvorschuss, den Saakaschwili angesichts der überbordenden Probleme der bitterarmen Kaukasusrepublik in konkrete politische Dividende ummünzen muss.

Der Anfang ist allerdings gemacht: Erstmals in den zwölf Jahren seiner Unabhängigkeit verzeichnet Georgien mehr oder minder reguläre Wahlen. Diesmal werde es „nicht die geringsten Unregelmäßigkeiten" geben, versprach Interimspräsidentin Nino Burdschanadse, nachdem sie ihren Stimmzettel eingeworfen hatte.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die den Urnengang mit fünf Millionen Euro finanzierte, hatte daher den rechten Daumen eines jeden Wählers mit Farbe besprühen lassen, die erst nach 24 Stunden verblasst. So sollten Mehrfach-Abstimmungen verhindert werden. Ihre 480 Beobachter und 120 weitere aus den GUS-Staaten überwachten zudem landesweit den Verlauf der Abstimmung. Die Geschwindigkeit der Stimmauszählung war diesmal rekordverdächtig.

Erleichtert konnten die Mitglieder der Zentralen Wahlkommission jedoch schon Stunden vor der Schließung der Stimmlokale aufatmen. Weil sich der Sieg Saakaschwilis schon vorher abgezeichnet hatte, hatten sie eine extrem niedrige Wahlbeteiligung befürchtet – zumal die abtrünnigen Regionen die Abstimmung am Sonntag weitgehend boykottierten.

Trotz des reibungslosen Verlaufs der Wahl sind auch kurzfristig noch nicht alle politischen Probleme Georgiens gelöst. Am 25. Januar finden Parlamentswahlen statt. Dann wird sich zeigen, ob Saakaschwili und seine Verbündete ihre neuen Mehrheiten verteidigen können und ob das heterogene Bündnis, das bereits erste Haarrisse aufweist, über längere Zeit Bestand hat. Das aber ist unabdingbare Voraussetzung für die Bewältigung der vordringlichsten Aufgaben: Wiederherstellung der territorialen Integrität – die Zentralregierung in Tiflis kontrolliert ihre einstigen Autonomien Südossetien, Abchasien und Adscharien momentan gar nicht oder nur sehr bedingt – Wirtschaftsreformen und vor allem die Bekämpfung eines massenhaften Elends.

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