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Politik: Weniger verpulvern

Bei der Gesundheitsreform sollen auch hohe Ausgaben geprüft werden – etwa die für Medikamente

Berlin - Mit der Gesundheitsreform wollen SPD und Union mehr Einnahmen für das Gesundheitswesen beschaffen. Damit die zusätzlichen Milliarden nicht innerhalb kürzester Zeit versickern, sollen auch die Ausgaben unter die Lupe genommen werden. Doch was sich hinter der Formel „Mehr Wettbewerb“ verbirgt, darüber bewahren die Koalitionspartner derzeit Stillschweigen.

Mit Ausgaben in Höhe von rund 250 Milliarden Euro pro Jahr und mehr als vier Millionen Beschäftigten ist die Gesundheitsbranche einer der größten Wirtschaftszweige in Deutschland. Davon geben die gesetzlichen Krankenkassen etwa 140 Milliarden Euro aus. Doch nicht jeder Euro kommt dort an, wo er dem Patienten am besten nutzt, klagt Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Seit Jahren liegen die Analysen auf dem Tisch: So stellte schon der Sachverständigenrat im Gesundheitswesen 2000 in einem umfangreichen Gutachten fest, dass es erhebliche Wirtschaftlichkeitsreserven im System gibt. Die Diagnose lautete: Zu viele Untersuchungen werden doppelt und dreifach vorgenommen, Kliniken und niedergelassene Ärzte kooperieren nicht genügend bei der Behandlung von Patienten.

Umstritten ist, wie viel Geld sich genau einsparen ließe, wenn im Gesundheitswesen wirtschaftlicher gearbeitet würde und die Politik mehr Wettbewerb zuließe. Klar ist auch, dass veränderte Strukturen nicht sofort zu Einsparungen führen. Experten erwarten aber, dass mittelfristig Milliardenbeträge mobilisiert werden könnten.

Einsparpotenziale liegen nach Ansicht von Experten etwa im Arzneimittelbereich: So bezifferten die Wissenschaftler Ulrich Schwabe und Dieter Paffrath im Herbst vergangenen Jahres die ungenutzten Potenziale für das Jahr 2004 auf rund 2,9 Milliarden Euro. Im Arzneiverordnungs-Report, der seit 1985 jährlich erscheint, analysieren die Experten, für welche Medikamente in Deutschland Geld ausgegeben wird.

Die Ausgaben für Arzneimittel sind 2005 auf 25,4 Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von 16 Prozent gegenüber 2004. Damit haben die gesetzlichen Krankenkassen mehr Geld für Medikamente ausgeben müssen als für die Vergütung der Ärzte. Durch medizinischen Fortschritt allein lässt sich dieser Zuwachs nicht begründen. SPD und Union haben daher Anfang dieses Jahres ein Sparpaket auf den Weg gebracht, das ab Mai greifen soll. Das Gesetz sieht allerdings in erster Linie Maßnahmen zur Kostendämpfung vor – darunter einen zweijährigen Preisstopp für Arzneimittel.

Deutlich wirksamer dürfte nach Ansicht von Experten die Kosten-Nutzen- Bewertung von Medikamenten sein, wie sie etwa in den USA üblich ist. Wenn dort ein neues Arzneimittel auf den Markt kommt, wird bewertet, ob das Präparat dem Patienten einen zusätzlichen Nutzen bringt und wie viel dieser Fortschritt kosten darf. Die rot-grüne Regierung hat mit der letzten Gesundheitsreform zwar ein Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen installiert. Auf Druck der Union darf das Institut jedoch Arzneimitte lediglichl qualitativ bewerten. Ob sich bei dieser Gesundheitsreform in der großen Koalition Mehrheiten dafür finden, eine Kosten- Nutzen-Analyse einzuführen, ist noch nicht absehbar.

Nach Ansicht von Gesundheitsökonomen ließe sich nur so verhindern, dass Pharmafirmen mit Scheininnovationen viel Geld verdienen können. Im Arzneiverordnungs-Report nennen die Wissenschaftler Schwabe und Paffrath ein Beispiel: So planen Insulinhersteller die Einführung von inhalierbaren Insulinen, die keine Vorteile in der Diabeteseinstellung haben, aber dreimal so teuer wie injizierbare Insuline sein sollen.

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