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Politik: Wenn aus Feinden Freunde werden

In der arabischen Welt wächst die Solidarität mit Saddam – sogar Kuwait ist gegen einen US-Militärschlag

Von Birgit Cerha, Beirut

Iraks Nachbarn werden nervös. Sogar alte Feinde reichen sich jetzt die Hand. Nachdem die Einladung des Irak an den Chef der UN-Waffeninspektoren, Hans Blix, ausgeschlagen wurde, wächst die Furcht. Denn ein Militärschlag der Amerikaner gegen das Regime Saddam Husseins wird immer wahrscheinlicher. Gemeinsam wenden sich nun Washingtons enger arabischer Verbündeter Saudi-Arabien und der Iran energisch gegen einen militärischen Angriff der USA auf ein islamisches Land.

Diese Haltung entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Beide Staaten haben ausreichend Grund, Saddam zu hassen. Vor zwölf Jahren musste Saudi-Arabien nach Iraks Invasion in Kuwait um seine staatliche Existenz zittern. Und im Iran sind bis heute die tiefen Wunden nicht verheilt, die ein grausamer, vom Irak angezettelter Krieg von 1980 bis 1988 geschlagen hatte. Auch wiederholte brutale Repressionskampagnen des Regimes in Bagdad gegen die Schiiten des Landes, als deren Schutzmacht sich Teheran fühlt, nährten im Iran den Hass auf den Diktator am Tigris. Doch die unabsehbaren Folgen einer amerikanischen Militäraktion gegen Bagdad verängstigen Saudis wie Iraner so sehr, dass sie alte Animositäten verdrängen. Verziehen ist, dass Revolutionsführer Chomeini einst Saddam als „üblen Mann“ beschimpfte, zugleich aber „die saudischen Führer als noch schlimmer“ bezeichnete. Sie seien nicht „Diener“, sondern „Verräter an den heiligen Stätten des Islam“.

Bereits mit der Machtübernahme Mohammed Chatamis vor fünf Jahren aber näherten sich beide Staaten zaghaft an. Nach gegenwärtigem Stand ist Saudi-Arabien fest entschlossen, den US-Militärs nicht wieder – wie im Afghanistan-Krieg Ende des Vorjahres – logistische Unterstützung zu leisten. Solange die schwere Krise zwischen Palästinensern und Israelis nicht gelöst sei, betonen offizielle Kreise in Riad immer wieder, könnte ein Krieg gegen den Irak die starken anti-amerikanischen Gefühle unter der saudischen Bevölkerung derart aufheizen, dass das Regime selbst in ernste Gefahr geriete.

Die Tatsache, dass die Regierung Bush sich offensichtlich über alle Einwände ihrer arabischen Freunde gegen einen Militärschlag gegen den Irak hinwegsetzt, schwächt nicht nur das saudische Regime, sondern auch andere gemäßigte arabische Führer. Auch in Kreisen des iranischen Regimes sieht man besorgt in die Zukunft. Selbst Chatami beschuldigte die USA im Juli einer „kalkulierten Kampagne, um einen Massenaufstand im Iran zu schüren“, und warnte die USA vor Versuchen, die Regierungen im Irak und im Iran zu stürzen. Kurz zuvor hatte Bush die „kompromisslose und zerstörerische Politik“ Teherans kritisiert und ausdrücklich neue politische Kräfte ermutigt, einzugreifen.

Diese Haltung führt zur Wiederbelebung einer anti-amerikanischen Stimmung, wie sie der Iran seit vielen Jahren nicht mehr erlebt hat. Reformer um Chatami und dessen konservative Gegner wetteifern in ihrer Kritik an Washington. Konservative und Reformer sind sich einig in ihrer tiefen Sorge vor amerikanischer Einkreisung. Mit einer neuen pro-amerikanischen Regierung in Afghanistan und der starken US-Militärpräsenz im Persischen Golf fürchtet Teheran verstärkt westlichen Einfluss auf die islamische Republik.

Syrien, das zwar nicht wie Iran und Irak von den USA als Teil einer „Achse des Bösen“ klassifiziert wird, doch auf einer US-Liste der Terrorstaaten steht, teilt Bagdads und Teherans Ängste. Sogar Kuwait, größtes Opfer irakischer Aggressionen, spricht sich heute entschieden gegen einen erneuten Irak-Feldzug aus. Auf die Solidarität der irakischen Nachbarn können die USA nicht hoffen.

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