zum Hauptinhalt

Politik: Wenn Computer rechnen

"Wir können alles, außer hochdeutsch", heißt der offizielle Werbespruch der Baden-Württemberger. Zweifel sind erlaubt: Zählen nämlich ist bei Schwaben und Badenern wohl auch nicht mehr drin.

"Wir können alles, außer hochdeutsch", heißt der offizielle Werbespruch der Baden-Württemberger. Zweifel sind erlaubt: Zählen nämlich ist bei Schwaben und Badenern wohl auch nicht mehr drin. Da blickt die ganze politische Szene der Republik auf den Südweststaat, weil sich dort dank Frauenquote und drangvoller Enge auf den Männerplätzen die grünen Prominenten selber rauskegeln müssen - und dann platzt die ganze Veranstaltung wegen eines dummen Rechenfehlers.

Was ist geschehen? Exakt 200 Delegierte bestimmen laut Satzung die Zusammensetzung der Landesliste für die Bundestagswahl im September. Wie viele Delegierte das für jeden Kreisverband ergibt, wird genau ausgerechnet, nach dem Niemeyer-Verfahren. Zu genau. Denn die Rechenarbeit erledigt ein Tabellenprogramm aus dem Hause Microsoft von Bill Gates. Das aber kalkuliert angeblich mit 175 Stellen nach dem Komma und addierte intern deshalb 202 Delegierte, wo korrekt und ohne Komma nur 200 ausgewiesen werden. Keiner im Parteivorstand hat die Differenz im Vorfeld des Konvents bemerkt, keiner hat von Hand nachgerechnet, keiner entdeckt, dass zwei Delegierte zuviel gewählt worden waren.

Gewiss, man hätte gewarnt sein müssen. Sieben Prozent ihrer Mitglieder haben die Südwest-Grünen nach der Afghanistan-Debatte verloren - und trotzdem legten gleich fünf Kreisverbände beim Delegiertenschlüssel zu. Sie hätten also viele neue Mitglieder gewonnen haben müssen. Es sei das erste Mal, scherzte ein Landtagsabgeordneter, dass es bei der Partei zu Überhangmandaten gekommen sei. In der Tat: Damit taugt die Veranstaltung nurmehr fürs Kuriositätenkabinett, aber nicht für eine Kandidatenkür, die juristisch wasserfest sein soll. Genau darauf aber kommt es in Baden-Württemberg an.

Nur sieben sichere Listenplätze können die Grünen erwarten, vorausgesetzt, sie wiederholen das Ergebnis der Bundestagswahl von 1998 und landen nicht, wie zum Parteitag in einer Prognose veröffentlicht, knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Die ungeraden Listenplätze sind für Frauen reserviert und weitgehend unumstritten. Um die drei geraden Plätze aber rangeln sich Parteichef Fritz Kuhn, Fraktionschef Rezzo Schlauch, der Innenpolitiker Cem Özdemir, der Haushaltsexperte Oswald Metzger und der Pazifist Winfried Hermann.

Das Quintett muss sich nun weitere sechs bis acht Wochen gedulden. Immerhin wurde das Spitzenduo schon mal "probehalber" gewählt. Die Staatssekretärin im Entwicklungs-Ministerium, Uschi Eid ("Wir haben Erfolge, um die uns sogar die Grünen in Afrika beneiden."), führte die Liste unangefochten an. Auch Parteichef Fritz Kuhn ("Wir müssen wieder grüner werden.") kassierte ohne Gegenkandidat 80 Prozent Zustimmung bei den Delegierten. Doch dann fällt der Fehler auf: Als es bei Rang drei zu den ersten Kampfkandidaturen zwischen Realos und Fundis kommt. Mehr als zwei Stunden wird der Parteitag im schwäbischen Ehingen zunächst unterbrochen, dann sind sich alle Parteigremien einig: Die Veranstaltung wird abgebrochen, weil sie wegen des Rechenfehlers nicht beschlussfähig ist.

Für die Stuttgarter Grünen ist diese Panne nicht nur mindestens 10 000 Euro teuer, sondern auch besonders peinlich. Denn 1994 ist schon einmal Ähnliches passiert: Damals hatte der Landesvorstand, der qua Satzung auf Parteitagen stimmberechtigt war, auch über die Landesliste abgestimmt. Das jedoch war mit dem Wahlgesetz nicht vereinbar. Ein Fehler, der allerdings erst nach dem Parteikonvent bemerkt worden war. Es genügte dann eine weitere Zusammenkunft, um das damalige Ergebnis formell nur noch mal abzunicken.

Einen "fairen, harmonischen Parteitag" hatte eine Nachwuchsgrüne gleich zu Beginn gewünscht. Die wenig realistische Verheißung ging dennoch in Erfüllung - weil vor dem Streit der einvernehmliche Abbruch stand. Die Delegierten nahmen es gelassen. Im Eiltempo verließen sie den Ort des Geschehens und freuten sich auf einen unverhofften freien Sonntag.

Leben ohne Politik

Die frühere Gesundheitsministerin Andrea Fischer hat das Angebot der Hamburger Grünen abgelehnt, als Spitzenkandidatin für den Bundestag zu kandidieren. Fischer bestätigte dem Tagesspiegel am Sonntag die Offerte. Zur Begründung ihrer Absage sagte sie: "Ich war schon zu weit weg von der Politik, als das Angebot kam. Ich freue mich auf ein neues Leben." Nach dem Tod ihrer Parteichefin und Bundestagsabgeordneten Kristin Heyne ist die Hamburger Landespartei in Personalnot. Offen ist neben der Bundestagskandidatur, wer die Landespartei führen soll - die Fraktionschefin der GAL, Krista Sager, und Ex-Parteichefin Antje Radcke haben abgesagt. Wie Fischer will auch der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele, der bei der Listenaufstellung in Berlin gleichfalls gescheitert war, nicht in einem anderen Bundesland antreten. Er war von Kreisverbänden in Rheinland-Pfalz für eine Bewerbung dort ins Gespräch gebracht worden. m.m.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false