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Politik: Wenn der Schein nicht trügt

KOHL UND KIRCH

Von Robert Birnbaum

Darf der das? Im Herbst 1998 hat Helmut Kohl die Wahl und seine Ämter verloren, ein halbes Jahr später hat der frisch backene ExKanzler und Ex-CDU-Chef mit dem Medienunternehmer Leo Kirch einen Beratervertrag geschlossen. Die Dotierung lag mit 600000 Mark deutlich über dem Kanzler-Jahresgehalt. Auch andere Ehemalige der Kohl-Ära standen auf Kirchs Berater-Liste, Theo Waigel und Jürgen Wilhelm Möllemann sind nur die bekanntesten. Dürfen die das?

Bleiben wir, der Übersicht halber, beim Beispiel Kohl. Die erste Antwort lautet, ganz formal: Natürlich darf der das. Ein Politiker legt mit dem Ausscheiden aus seinen Ämtern kein Gelübde ab, von Stund an nur noch seine Pension zu verzehren. Im Gegenteil, in der Regel nutzt er alte Kontakte und macht seinen Namen zu Ehre und Geld: Vorstandsposten, Stiftungsposten, der Briefkopf einer Anwaltskanzlei. Dies alles ist nicht nur legal, sondern legitim. Die Demokratie vergibt Ämter auf Zeit. Der kleine Abgeordnete, der nach vier Jahren im Bundestag wieder ausscheidet, muss danach weiter arbeiten; der große Kanzler, der nach sechzehn Jahren geht, darf es.

Und trotzdem – die Sache riecht streng. Warum? Es liegt viel an den handelnden Personen. Kirch ist nie einfacher Filmhändler gewesen. Der Mann hat immer Politik gemacht, über seine Anteile am Springer-Verlag zum Beispiel. Kirchs Geschäfte sind umgekehrt stets von Politik abhängig gewesen, der Zank um Sport-Fernsehrechte ist nur ein Fall von vielen. Kirch war der Einzige, dessen Name bei der Suche nach Kohls anonymen Parteispendern fiel. Das war nie mehr als ein bloßer Verdacht, aber eben einer, der nicht augenscheinlich unplausibel schien.

Kohl wiederum hat sich nicht nur mit der Spendenaffäre um den Anspruch gebracht, in Geldfragen automatisch als integer zu gelten. Vor allem ist nicht recht erkennbar, welche Beratungsleistungen er denn hat erbringen können, die eine solche Summe wert sind. Die Kirch-Insolvenzverwalter, die von Amts wegen dem Verdacht reiner Gefälligkeitszahlungen nachgehen müssen, haben denn auch um Auskunft gebeten. Das Nicht-Ergebnis ist absehbar. Kohl und andere werden versichern, Kontakte geknüpft und Hinweise gegeben zu haben, über Details aber schweigen, ja schweigen müssen: Waigel zum Beispiel darf als Anwalt gar nicht sagen, was er für Mandanten tut.

Der strenge Geruch bleibt aber. Da sind plötzlich Leute im Geschäft, die vorher, als sie noch im Amt waren, jeden Anschein von Lobbyismus und Geschäft vermeiden mussten. Der Anschein mag falsch sein, dass das Geld von heute der Dank für Hilfe von damals ist. Doch es ist eine Frage der Selbstdisziplin, solche Anscheine zu vermeiden. Das Protokoll gibt Helmut Kohl auf Lebenszeit das Recht, als „Herr Bundeskanzler“ angeredet zu werden. Das mag ein altertümlicher Brauch sein. Aber er erinnert daran, dass ein Kanzler, ein Minister, ein Staatssekretär nicht nur ihre alte Würde niemals ganz verlieren, sondern auch ihre alten Pflichten nicht. Man kann freilich niemanden zwingen, sich danach zu verhalten. Gespür für das, was sich gehört, lässt sich auch nicht in Paragrafen gießen. Das muss einer schon selbst merken, ab wann sein Geld zu riechen beginnt.

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