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Politik: Wenn die Alten Opfer bringen

DIE RENTEN DER ZUKUNFT

Von Cordula Eubel

Den Alten ging es schlecht, und Adenauer machte sich Sorgen. Denn eine große Bevölkerungsgruppe profitierte nicht vom Wirtschaftswunder: die Rentner. Viele, viele Wähler, die der erste Kanzler nach dem Krieg für die Demokratie gewinnen wollte. Und für seine Partei. Dieser Zeit verdanken wir drei Hinterlassenschaften. Erstens eine Legende: Alter ist Armut. Zweitens die dynamische Rente der späten 50er Jahre, die zu einem Wohlstand geführt hat, wie ihn keine andere Industrienation kennt. Drittens ein riesiges Problem: Diese Entwicklung sprengt unsere Sozialsysteme.

Auch deshalb ist Gerhard Schröders Agenda 2010 nur der Anfang eines Anfangs. Den großen Brocken Rente schiebt die Politik vor sich her. Dabei geht es nicht nur darum, die Alterssicherung für die künftigen Rentner zukunftsfest zu machen. Noch viel mehr schreckt die Politik vor der Frage zurück, welchen Beitrag die ältere Generation von heute für den Umbau des Sozialstaats leisten kann. Wer an die Renten geht, rührt an tiefen Ängsten. Und es geht heute um noch viel, viel mehr Wähler als zu Adenauers Zeit.

Alter und Armut sind nicht mehr identisch. Die Generation der über 65Jährigen verfügt über ein nur leicht unterdurchschnittliches Einkommen im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Ihr Armutsrisiko ist nur halb so hoch wie das von jungen Familien mit Kindern. Der Anteil der Sozialhilfeempfänger liegt unter dem Schnitt. Wirklich arm sind nur wenige – meistens Frauen. Die Mehrheit lebt auskömmlich. Und manchen geht es richtig gut: Immerhin, knapp 15 Prozent der Älteren befinden sich im obersten Fünftel der Einkommenshierarchie.

Ein großer Teil der Rentner ist also durchaus in der Lage, einen Beitrag zur Sicherung des Sozialstaats zu leisten. Bleibt dieses Opfer aus, entsteht eine explosive Situation. Dafür sorgt die demographische Entwicklung: Wir werden immer älter, bekommen aber weniger Kinder. Nach den jüngsten Prognosen des Statistischen Bundesamtes müssen im Jahr 2030 zwei Erwerbsfähige im Schnitt 1,5 Rentner finanzieren – einen halben mehr als heute. Viele jüngere Menschen stellen deshalb den Generationenvertrag in Frage. Sie sagen: Warum sollen wir die vielen Rentner alimentieren, wenn wir selbst im Alter kaum noch etwas herausbekommen? Angesichts der nackten Zahlen laufen die schönen Solidaritätsappelle der Sozialpolitiker ins Leere.

Langfristig ist die Therapie klar: Ein höheres Renteneintrittsalter wird der gestiegenen Lebenserwartung gerecht. Eine neue Rentenformel gleicht den Geburtenrückgang aus. Daneben müssen Renten voll steuerpflichtig werden. Ein höheres Nettoeinkommen im Erwerbsleben durch steuerfreie Rentenbeiträge bringt den Menschen mehr als eine Rente, auf die sie kaum Steuern zahlen. All diese Reformen sind unvermeidlich. Aber: Sie treffen nur die künftigen Rentnergenerationen.

Wie aber können die Älteren von heute ihren Beitrag leisten? Die privaten Transfer-Leistungen der alten zu den jüngeren Generationen sind erheblich. Das Taschengeld für die Enkelkinder. Eine Finanzspritze für das neue Auto des Sohnes oder der Tochter. Ein Drittel der Senioren unterstützt die jüngere Generation – meist mit mehreren tausend Euro. Weil sie sehen, dass die junge Familie das Geld dringender benötigt. Aber angesichts leerer Kassen und der angespannten Konjunktur kann sich der Beitrag der Älteren nicht auf die innerfamiliäre Umverteilung zwischen den Generationen beschränken. Die 19,5 Millionen Rentner in Deutschland müssen sich im kommenden Jahr wohl auf eine Nullrunde einstellen. Auch ein höherer Anteil an den Krankenkassenbeiträgen wird nicht tabu sein. Das würde die Rentenkassen entlasten. Und hätte eine gute Nebenwirkung: Die Jüngeren wären wieder bereit, den Generationenvertrag zu unterschreiben. Auch das sichert den Sozialstaat.

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