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Politik: „Wenn es knapp wird, zahlen die Versicherten“

Für Kassenfunktionärin Pfeiffer sind Geringverdiener beim Gesundheitskompromiss die Verlierer

Was bedeutet der Kompromiss für die Krankenversicherten?

Es zeigt sich nun ganz deutlich, was der Weg in das neue System bedeutet: Wenn es knapp wird mit den Finanzen, müssen das die Versicherten zahlen. Vor allem die Einkommensschwächeren. Es ist ja ein Aberwitz. Da gibt es eine Überforderungsklausel, die die Einkommensschwachen schützen soll und die bei einem Prozent des Einkommens bleibt. Die Einkommensprüfung setzt aber erst ab acht Euro ein. Das heißt: Wer monatlich nur bis zu 800 Euro hat, muss mehr bezahlen als ein Prozent. Außerdem ist die langfristige Stabilisierung der Finanzen kein Thema mehr. Es gibt Beitragserhöhungen, aber von der zwischendurch mal angedachten Erhöhung der Steuermittel ist überhaupt nicht mehr die Rede.

Das Ziel war ja mehr Wettbewerb zwischen den Kassen. Ist der denn erreicht?

So wie’s aussieht, wird ein Dachverband die zentrale Steuerung übernehmen. Das heißt: Für mehr als 70 Prozent der Ausgaben gelten dann einheitliche Regelungen. Es gibt also weniger Wettbewerb. Das wird ergänzt durch den einheitlichen Beitragssatz und die Veränderungen beim gemeinsamen Bundesausschuss. Der muss nun Behörde werden, damit seine Entscheidungen Rechtssicherheit haben. Das heißt, wir haben an fast allen Stellen Vereinheitlichung und staatlichen Dirigismus. Die Kosten müssen die Versicherten allein über Zusatzprämien tragen.

Was hätten Sie sich denn für die Krankenkassen gewünscht – außer mehr Geld?

Es wäre natürlich sinnvoll, wenn der Staat endlich seinen Verpflichtungen nachkäme und die versicherungsfremden Leistungen über den Bundeszuschuss finanzieren würde, statt ihn erst mal zu reduzieren. Auch die Lasten, die den Kassen seit vielen Jahren durch reduzierte Beiträge der Arbeitslosen aufgebürdet werden, müssen gesamtgesellschaftlich finanziert werden. Darüber hinaus sollten die Kassen die Möglichkeit bekommen, unterschiedliche Versorgungskonzepte anzubieten. Bisher gibt es eher den Anreiz, sich um Gesunde zu kümmern als um Kranke. Schließlich lässt sich die Zusatzprämie nur reduzieren oder vermeiden, wenn man möglichst viele gesunde Gutverdiener hat. Wenn sich eine Kasse besonders um Kranke kümmert, erfordert das Investitionen und bringt kurzfristig keine Ersparnis. Jede Kasse muss aber das Interesse haben, im Wettbewerb zu überleben.

Privatversicherer müssen nun ja auch manche Kröte schlucken. Haben die gesetzlichen an Attraktivität gewonnen?

Durch die Nichtlösung der Finanzprobleme wird es mit der Attraktivität der gesetzlichen Krankenkassen schwierig werden. Zunächst stehen ja erhebliche Beitragserhöhungen an, wir rechnen mit mehr als 15 Prozent. Dann kommen noch die Zusatzprämien. Da wird es schwer sein, mit der PKV zu konkurrieren.

Freuen Sie sich nicht wenigstens über die Verschiebung des Gesundheitsfonds?

Die Verschiebung um ein halbes Jahr ändert nichts daran, dass es sich um eine Fehlkonstruktion handelt. Begründet ist sie wohl darin, dass im Jahr 2008 etliche Landtagswahlen sind und man offenbar befürchtet, der Fonds könne den Ländern Probleme bereiten. Aber die Verschiebung ändert nichts an der Weichenstellung in ein anderes Gesundheitssystem.

Bleibt es bei Ihrem Widerstand?

Wir werden weiterhin unsere Kritik deutlich äußern. Und wir können nur hoffen, dass unsere Argumente im anstehenden Gesetzgebungsprozess gehört werden.

Die Fragen stellte Rainer Woratschka.

Doris Pfeiffer , Chefin des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen und des Arbeiter- Ersatzkassen-Verbandes, gilt als treibende Kraft im Widerstand der Kassen gegen die Gesundheitsreform.

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