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Politik: Wer geht, darf nicht wiederkommen

BLACE . Den acht Männern steht die Angst ins Gesicht geschrieben.

BLACE . Den acht Männern steht die Angst ins Gesicht geschrieben. Wieder stehen sie hier in Blace verzweifelt vor uniformierten Polizisten. Und auch wieder vor der Frage: Werden sie dort bleiben können, wohin sie zurückkehren wollen? Sie hatten schließlich soviel Mut geschöpft, die Kosovo-Flüchtlinge in Mazedonien, daß sie jetzt endlich wieder heimwärts in ihre Dörfer jenseits der Grenze können. Diese Gruppe brach auf eigene Faust ins Kosovo auf. Doch nach der Vertreibung durch serbische Terroreinheiten setzen den heimkehrwilligen Vertriebenen nun mazedonische Grenzpolizisten sinnbildlich die Pistole auf die Brust: "Geht nur, geht jetzt, und wißt, daß ihr diese Linie zu Mazedonien nicht noch einmal überqueren dürft", ruft der Grenzpolizist. Ganz geschäftig, wichtig, gibt sich der junge Mann, nervös. Rauchend läuft er umher. Dem Blick weicht er aus, und ein rauhes Lachen ist seine Antwort auf die Frage, ob seine Worte dem Auftrag der Regierung in Skopje entsprechen: "Kein Kommentar."

Ob Willkür oder nicht, die acht Kosovaren können sich nicht entscheiden, den Schritt am Grenzhäuschen vorbei gemeinsam zu gehen. "Wir wollten in unser Dorf nach Kacanik", sagt Salim, der jüngste (40), "und dann wieder zurück und unsere Familien nachholen, wenn es dort sicher ist." Im Schatten am Straßenrand beraten sie weiter. Drei von ihnen hatten erst vor wenigen Wochen im April mit Tausenden Flüchtlingen im Auffanglager Blace tagelang auf die Gnade der Grenzer gehofft, die die erschöpften Menschen aber zunächst nicht nach Mazedonien lassen wollten. Es ist noch immer schlecht bestellt um das Mitgefühl der Kosovo-Nachbarn.

25 Prozent der Bevölkerung Mazedoniens sind albanischer Abstammung. Ganze Dörfer im Norden des Landes sind monoethnisch, albanisch. Von dort sind die Mazedonier schon längst gegangen. "Die Albaner stürzen unser Land ins Elend. Wir haben kaum Arbeit und jetzt noch die Flüchtlinge am Hals", sagt ein Schüler in Skopje. Er glaubt seine Lektion gelernt zu haben: "Die Albaner sind schlecht gebildet und gebären mindestens fünf Kinder", sagt er überzeugt: "Das ist zuviel für uns."

In Skopje will offiziell niemand etwas davon wissen, daß Druck auf die ungeliebten Flüchtlinge ausgeübt wird. Ein Regierungssprecher verweist darauf, daß 100 000 der 300 000 Flüchtlinge in mazedonischen Familien untergebracht seien. "Bei unseren Angehörigen, die vor 15 Jahren als illegale Zuwanderer nach Mazedonien gekommen sind und bis heute isoliert sind", ergänzt Salim der Flüchtling. "Wir zwingen niemanden, zu gehen", beschwört der Regierungssprecher, "wer will kann gehen, wir achten das Gebot der freiwilligen Rückkehr der Flüchtlinge." Aber wer ist wir? Immerhin fühlt sich die Kosovo-Untergrundarmee UCK inzwischen so provoziert, daß sie den Übergangspunkt Blace übernehmen will.

"Die Regierung in Skopje begeht einen Riesenfehler, wenn sie die Flüchtlinge ultimativ nicht mehr zurückläßt", warnt das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Skopje. Die Kosovaren müßten sich doch ein Bild davon machen können, wie es in den Dörfer aussieht und je nach Gefahr entscheiden können, mit der Rückkehr noch etwas zu warten." In den Flüchtlingscamps warnt das UNHCR vor allzu großer Eile. Schließlich wird es noch etwas dauern, bis die KFOR-Truppe mit verbindlichen Empfehlungen über die Sicherheit auf die Flüchtlinge zugehen kann", sagt ein UN-Mitarbeiter. Jedes falsche Wort, jede Andeutung sei da von Schaden. Erst recht die verbalen Querschläge mazedonischer Polizisten. Und so ist auch dem hageren Salim und seinen Gefährten am Kontrollpunkt Blace die Situation inzwischen zu brenzlig: "Wir gehen erst, wenn es nicht mehr so ungewiß ist", sagt er. Und fragend: "Ob die Nato helfen würde, wenn uns Mazedonien tatsächlich nicht zurücklassen würde?"

CLAUDIA LEPPING

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