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Politik: Wer mehr Arbeit macht

Von Matthias Schlegel

Da hat der Bundeskanzler die Probleme Ostdeutschlands doch tatsächlich einmal zur Chefsache gemacht – nach sechs Jahren. Am Montagabend traf er die Ministerpräsidenten der jungen Länder im Kanzleramt. Damit folgte er freilich nicht einem wohl überlegten Konzept, sondern gehorchte der Not. Die Verweigerungshaltung des Ostens im Bundesrat am vergangenen Freitag und das Aufbegehren von Schröders einstigem Hoffnungsträger Platzeck während der Neuhardenberger Klausur machten den OstGipfel unaufschiebbar.

Der Arbeitsmarkt ist immer noch geteilt. Es geht um die Zukunft des Ostens. Vor allem aber geht es um viele Menschen: Diejenigen nämlich, die nach einem Jahr ohne Arbeit kaum noch Aussicht haben, je wieder welche zu finden. Die mit dem Arbeitslosengeld II rapide abstürzen auf ein Einkommensniveau, das ihnen oft nicht mehr erlauben wird, ihr bis dahin gewohntes Leben fortzuführen. Privatinsolvenzen werden noch stärker die Familien heimsuchen, die sich bisher durchaus zur Mittelschicht in den neuen Ländern zählten – was etwas anderes bedeutet als im Westen: geringeres Familieneinkommen, weniger Rücklagen, aber zumeist höhere Verbindlichkeiten. Im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten und beruflichen Verankerungen haben viele mit Eigenheim oder Eigentumswohnung nach der Wende rasch teure Wechsel auf die Zukunft unterzeichnet. Viermal mehr Langzeitarbeitslose als im Westen gibt es derzeit im Osten. Und das Verhältnis zwischen Arbeitsuchenden und freien Stellen ist in den jungen Ländern dreimal schlechter.

Soweit zu den schwarzen Farben auf dem Bildnis, das da Hartz IV heißt. Die hellen Tupfer aber gibt es auch. Wenn das Geld, das eingespart wird, tatsächlich dazu dienen wird, mehr Menschen in Arbeit zu bringen, wenn zumindest Jugendliche bis 25 Jahre rasch vermittelt werden, wenn der düstere finanzielle Ausblick auch die etwas Behäbigeren zur Arbeitssuche in Gang setzt – dann kann dieses größte Sozialreformprojekt in der rot-grünen Regierungszeit, als das es die Koalitionäre selbst bezeichnen, tatsächlich heilsame Wirkungen entfalten.

Der Streit über Hartz IV zwischen der Bundesregierung und den Ost-Ländern trägt bizarre Züge. Er versinnbildlicht wieder, wie gut gemeinte und wohl auch unausweichliche Reformansätze in der öffentlichen Wahrnehmung dadurch diskreditiert werden, dass Befürworter und Ablehner sich gegenseitig die schändlichsten Absichten unterstellen.

Als im vergangenen Jahr das Hartz-IVKonzept bekannt wurde, warnten die jungen Länder umgehend vor Kaufkraftverlusten von rund einer Milliarde Euro im Osten. Als die Bundesregierung nachbesserte, als sie auf die angedrohte Kürzung der Gemeinschaftsaufgabe-Mittel verzichtete, als sie schließlich den Betrag zur Entlastung der Kommunen auf 3,2 Milliarden aufstockte, verhallte dieses Argument nach und nach. Im Vermittlungsausschuss dann kam kein Widerstand mehr aus den Ost-Ländern gegen Hartz IV. Dennoch gab es am Freitag vergangener Woche dieses Aufbegehren-Ost im Bundesrat.

Wenn die jungen Länder der Bundesregierung vorwerfen, dass die den Osten, das größte zusammenhängende arbeitsmarktpolitische Krisengebiet Deutschlands, nicht begreife, mögen sie Recht haben. Wenn sie aber den Eindruck erwecken, Politik nach Kassenlage zu machen und sich zu diesem Zweck auch parteiübergreifend zu jähen Richtungswechseln verbünden, spielen sie mit ihrer Glaubwürdigkeit. Das schlechteste Ergebnis einer Nach-Vermittlung wäre jetzt Geld für massenhafte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Die haben schon in der Vergangenheit keine langfristige Arbeit beschafft. Vielmehr bedarf es aller Anstrengungen, die Langzeitarbeitslosigkeit zu verringern: die Wirtschaft anzukurbeln, den Mittelstand zu beleben, Innovationen zu fördern.

Hartz IV ist nicht für den Osten gemacht. Soll die Reform nicht zum sozialen Sprengsatz werden, müssen wirtschaftliche Impulse sie flankieren, die dem Osten auf den Leib geschneidert sind.

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