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Amrita Narlikar, Professorin an der Universität Hambugr und Präsidentin des German Institute of Global an Area Studies (GIGA).

© GIGA/Claudia Höhne

Werbung um Partnerschaft: „Indien teilt mit Deutschland wichtige Werte“

Nimmt Deutschland China als Partner wichtiger als Indien? Davor warnt Amrita Narlikar, die ein wichtiges deutsches Institut leitet. Ein Interview.

Von Hans Monath

Amrita Narlikar stammt aus Indien und ist Präsidentin des German Insititute of Global and Area Studies in Hamburg.

Frau Professor Narlikar, in Indien ist immer wieder die Klage zu hören, die Europäer seien von China fasziniert und würden darüber die Entwicklung in der größten Demokratie der Welt vernachlässigen. Teilen Sie diesen Eindruck?

Diese Klage ist verständlich. Im Vergleich zu China ist Indien in vielerlei Hinsicht eine Macht, die mit Deutschland wichtige Werte teilt – und auch mit anderen Ländern, die sich zu Demokratie, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit bekennen. Deshalb ist es enttäuschend, dass Mittel- und Westeuropa so verzückt von China sind, obwohl Demokratie und Pluralismus fehlen, es mit Minderheiten auf zweifelhafte Weise umgeht, sich gegenüber Hongkong sehr bedenklich verhält und trotz seiner expansionistisch wirkenden Bestrebungen in Asien und darüber hinaus mit dem Seidenstraßen-Projekt. Die einfachste Erklärung für dieses Liebesfest mit China ist das wirtschaftliche Interesse Deutschlands an China. Es stimmt auch, dass Indien es in der Vergangenheit ausländischen Investoren schwerer gemacht hat. Langsam aber wacht die Wirtschaft in Deutschland und anderen Teilen Europas auf und realisiert, wie problematisch Chinas Geschäfts- und Handelspraktiken sind. Sie sind nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Bedrohung. Das hätte man schon früher erkennen müssen.

China wird von Indien als großer Rivale wahrgenommen. Wird Indien in den nächsten 15 oder 20 Jahren die Wirtschaftskraft Chinas erreichen oder sie sogar übertreffen können?

In beiden Volkswirtschaften gibt es unterschiedliche Gründe für Instabilität. Wenn Sie darauf bestehen, würde ich sagen, Indien ist trotz des Rückgangs seines Wirtschaftswachstums in jüngster Zeit auf dem richtigen Weg. Egal, ob Indien China überholt oder nicht, es wird für sich genommen eine große Wirtschaftsmacht sein. Auch hier geht es darum, mit welchem Land wir gemeinsame Werte teilen. Diese Frage wird umso wichtiger werden, je mehr Staaten wie China wirtschaftliche Macht für geopolitische Ziele einsetzen.

Dauert die Entwicklung hin zu mehr Wohlstand in Indien länger, weil es anders als China eine Demokratie ist?
Das Argument, die Wirtschaft wachse schneller in autoritären Ländern, wiewohl nicht in allen, ist verführerisch. Ich bin allerdings der Meinung, die Unordnung von Demokratien, die ständige argumentative Auseinandersetzung und Verhandlung, die manche Prozesse verlangsamen, machen Wachstum nachhaltig – im Gegensatz zu Wachstum auf Anweisung.
Ist die Vielfalt von Bundesstaaten, Ethnien und Religionen in Indien ein Hemmschuh für eine schnellere wirtschaftliche Entwicklung?
Das ist richtig, ein kompliziertes föderales System, viele verschiedene ethnische Gruppen, die religiöse Vielfalt – all das macht den Prozess des Wirtschaftswachstums in Indien kompliziert. Weil Indien eine Demokratie ist, muss jede Regierung aus Eigeninteresse einen Konsens herstellen und die divergierenden Interessen und Vorstellungen zusammenbringen. Aber das macht Wachstum in Indien auch menschenfreundlicher und hoffentlich nachhaltiger als in China.

Nur wenn die jungen Inder gut ausgebildet werden, kann das Land eine „demografische Dividende“ einfahren. Investiert die Regierung von Ministerpräsident Narendra Modi genug im Bildungssektor?
Die Regierung Modi räumt dem einen hohen Rang ein – und auch dem Ziel, Frauen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Es bleibt noch viel zu tun. Aber es gibt Gründe, zuversichtlich zu sein.

Wie könnte Deutschland von einer engeren politischen und wirtschaftlichen Kooperation mit Indien profitieren?

Nicht nur Deutschland, sondern auch Europa hat sich vor allem auf den Ausbau der Handels- und Geschäftsbeziehungen konzentriert. Womöglich, weil die Kooperation mit China auf diesem Weg verlief. Deutschland würde auf jeden Fall auch vom Handel mit Indien und Investitionen dort profitieren, es wäre aber kurzsichtig, sich ausschließlich oder auch hauptsächlich darauf zu konzentrieren. Denn Indien kann ein bedeutender Freund werden, der die Werte von Pluralismus, Demokratie und Freiheit teilt. Für die Allianz für den Multilateralismus von Außenminister Heiko Maas kann Indien ein wichtiger Partner sein, vor allem, wenn beide Seiten miteinander entdecken, wie viele wesentliche Werte sie teilen. Auch angesichts der Bedrohung, die von China ausgeht, ergeben sich gemeinsame Interessen.

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