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„Werde antreten, erneut Kanzler zu werden“: Scholz bekräftigt seinen Regierungsanspruch – und warnt vor „Spaltungsunternehmern“
Vor dem Sommerurlaub skizziert der Kanzler seine Agenda. Dabei erklärt er die offenen Haushaltsaufgaben der Ampel für „lösbar“, fordert eine klare Einwanderungspolitik und lobt Kamala Harris.
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Kurz vor seinem Sommerurlaub hat sich Bundeskanzler Olaf Scholz noch einmal den Fragen der Hauptstadtjournalisten gestellt. Es war einer der letzten öffentlichen Termine des Kanzlers vor seinem Urlaub, der am kommenden Wochenende beginnt.
Gleich zu Beginn des Termins wurde Scholz gefragt, ob er dem Beispiel von US-Präsident Joe Biden folgen und auf eine Kanzlerkandidatur für die kommende Bundestagswahl verzichten wolle. „Danke für die überaus nette und freundliche Frage“, entgegnete Scholz zunächst, um dann den Willen zu einer erneuten Kandidatur zu bekräftigen.
„Wir sind alle fest entschlossen, gemeinsam in den nächsten Bundestagswahlkampf zu ziehen und zu gewinnen“, sagte der SPD-Politiker auch mit Blick auf seine Partei, die „sehr geschlossen“ sei. „Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden.“
„Umfrageergebnisse, die nicht gut sind, sind ein Ansporn, bessere Umfrageergebnisse erreichen zu wollen“, sagte der SPD-Politiker und zeigte sich überzeugt, die Umfragen bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 gedreht zu haben. „Das wird auch das sein, was ich die ganze Zeit vorantreibe.“
Die SPD-geführte Bundesregierung habe in Zeiten mit viel Unsicherheit die richtigen Entscheidungen getroffen und den Kurs auf Modernisierung und Zusammenhalt gerichtet. „Ich hoffe, dass es gelingt, alle davon zu überzeugen. Das ist in der Demokratie so, dass man darauf hoffen darf, und darum werben kann und damit auch Erfolg haben kann, wie bei der letzten Bundestagswahl“, sagte Scholz.
Gut ein Jahr vor der Bundestagswahl haben die Parteien der Ampel-Koalition in den Umfragen massiv an Zustimmung verloren. Streit etwa über den Haushalt für das kommende Jahr hatte das Klima in der Koalition in den vergangenen Monaten belastet.
Appell gegen „Spaltungsunternehmer“
Auf der Veranstaltung in Berlin wandte sich Scholz auch gegen eine wachsende Aggressivität in öffentlichen Debatten. „Wir müssen alles dafür tun, dass die Spaltungsunternehmer, die Polarisierungsunternehmer, nicht den Ton in unserer Gesellschaft angeben“, sagte der Kanzler. Diese seien auch durch politische Parteien vertreten wie die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).
Scholz sagte: „Ich bin überzeugt, dass es in den demokratischen Parteien genügend gibt, die sich dieser Aufgabe stellen.“ Dies sage er im Wissen darum, dass viele Schwierigkeiten sähen, wenn sie sich vor Ort aggressiven Bedrohungen ausgesetzt sähen - „ob durch Worte oder manchmal darüber hinaus“. Daher sei es so wichtig, den Ton gesellschaftlichen Debatte nicht von den „Spaltern“ bestimmen zu lassen.
Scholz hält Sieg von Kamala Harris bei US-Wahl für möglich
Bei der traditionellen Sommer-Pressekonferenz, die von der Bundespressekonferenz organisiert wird, gibt es keine thematischen Beschränkungen. So wurde er auch zur neuen Dynamik im US-Präsidentschaftswahlkampf gefragt.
„Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kamala Harris die US-Wahl gewinnt“, sagte Scholz mit Blick auf die mögliche demokratische Herausforderin des Republikaners Donald Trump. „Aber es entscheiden die amerikanischen Wählerinnen und Wähler“, ergänzte er.
Der Kanzler bezeichnete Harris, die er bei mehreren Begegnungen kennengelernt habe, als „eine kompetente und erfahrene Politikerin, die genau weiß, was sie tut“. Die Stellvertreterin von US-Präsident Joe Biden habe „sehr klare Vorstellungen von der Rolle ihres Landes, von den Entwicklungen in der Welt“ sowie von „den Herausforderungen, vor denen wir stehen“.
Unabhängig vom Wahlausgang in den USA werde Deutschland weiterhin zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken. Zudem betonte Scholz, dass der Bundeswehretat gestiegen sei.
„Dürfen uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt“
Kritik am von der Ampel-Regierung eingeführten Bürgergeld wies der Kanzler zurück. Die Ampel habe eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen, um mehr Arbeitskräfte zu aktivieren, sagte Scholz.

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Deutschland habe derzeit eine Rekordzahl an Erwerbstätigen. Die kommenden zwei, drei Jahrzehnte würden von einem Mangel an Arbeitskräften geprägt sein. Damit Deutschland „ein wohlhabendes und reiches Land“ bleibe, brauche es genug Arbeitskräfte, auch aus dem außereuropäischen Ausland.
Zugleich betonte Scholz die Notwendigkeit legaler Wege für Zuwanderung. „Dürfen wir uns aussuchen, wer nach Deutschland kommt? Ja“, sagte der Kanzler. Die Bundesregierung arbeite „ganz präzise“ daran, „insbesondere Straftäter“ auch nach Syrien und Afghanistan abzuschieben.
Scholz hält offene Aufgaben im Haushalt für „lösbar“
Zugleich gab sich Scholz zuversichtlich, dass die weiterhin bestehende Milliardenlücke im Haushalt 2025 gestopft werden kann. Die Bundesregierung halte die noch offenen Aufgaben für „lösbar“, sagte er und ergänzte: „Gemeinsam, alle“.
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„Erstmal ist es überhaupt bemerkenswert, dass wir so weit gekommen sind“, betonte der Bundeskanzler. Zusammen mit Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte er wochenlang darum gerungen, eine Finanzierungslücke in zweistelliger Milliardenhöhe zu schließen.
Ob das gelungen ist, steht aber noch nicht endgültig fest. Es wird noch geprüft, ob geplante Maßnahmen im Volumen von acht Milliarden Euro überhaupt verfassungsfest und wirtschaftlich sind. „Ich stehe hinter jeder Entscheidung“, sagt Scholz zum gemeinsamen Beschluss der Ampel-Partner zum lange umstrittenen Haushaltsentwurf für 2025.
Kanzler Scholz blickt drei Wochen Urlaub entgegen
Der Kanzler stellte sich den Fragen der Hauptstadtjournalisten in der Bundespressekonferenz. Die Bundespressekonferenz ist der Zusammenschluss von Parlamentskorrespondentinnen und -korrespondenten in der Bundeshauptstadt. Der Verein organisiert Pressekonferenzen und lädt dazu unter anderem Bundespolitiker ein. Scholz folgt wie seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) in der Regel einmal im Jahr im Sommer der Einladung in die Bundespressekonferenz.
Am Mittwochabend nimmt Scholz noch an einem Bürgergespräch in Saarbrücken (18.30 Uhr) teil, am Freitag hat er seinen letzten offiziellen Termin, die Teilnahme an der Eröffnung der Olympischen Spiele in Paris. Danach hat auch der Kanzler drei Wochen Urlaub. (cst, dpa, AFP, Reuters)
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