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Politik: Wettlauf am Mittelmeer

Powell besucht den Maghreb – auch die EU engagiert sich dort

Immer wenn ein südliches Mitgliedsland innerhalb der EU die Geschäfte führt, erhält auch der Barcelona-Prozess ein wenig Auftrieb, mit dem die südlichen Mittelmeeranreiner an die Gemeinschaft herangeführt werden sollen. Dieser Prozess hat in den vergangenen Jahren unter dem überbordenden Gewicht der EU-Erweiterung gelitten.

Doch nun pflegt die italienische Präsidentschaft die Beziehungen zwischen EU und Mittelmeeranrainern in diesem Herbst mit Konferenzen in Venedig, Rom und Neapel. In Neapel steht seit Dienstag die geostrategische Bedeutung der Mittelmeerregion im Mittelpunkt der Debatte von Vertretern der 15 EU-Mitgliedstaaten, der zehn Beitrittsländer und der Mittelmeeranrainer. Vorangetrieben werden soll das Konzept des „größeren Europas“. Unter der Leitung von EU-Erweiterungskommissar Günter Verheugen wird versucht, die Nachbarländer der EU im Mittelmeerraum, Russland und die alten Satellitenstaaten des Warschauer Paktes außerhalb von institutionellen Bindungen möglichst eng an die EU anzubinden.

Seit 1995 bemüht sich die EU um eine lebendige Europa-Mittelmeer-Partnerschaft. Bisher gelang es, mit allen teilnehmenden Staaten außer Syrien und Libyen Assoziationsabkommen abzuschließen, auch wenn die Mittelmeerländer im Laufe der Jahre häufig Kritik an der „wenig gleichberechtigten“ Art der Zusammenarbeit übten. Durch die Stagnation des Friedensprozesses im Nahen Osten und die terroristischen Anschläge in der Türkei, Tunesien und Saudi-Arabien ist die Bedeutung der Mittelmeerregion für die EU weiter gestiegen. Ein Netzwerk gegen den Terrorismus soll ein Frühwarnsystem ermöglichen und Ausbildung und Ausrüstung im „Kampf gegen den Terrorismus“ in den Mittelmeeranrainerstaaten zur Verfügung stellen. Im Bereich der Sicherheitspolitik will die EU die Zusammenarbeit ebenfalls ausbauen. Schon heute beteiligt sich ein Teil der Staaten gemeinsam an Friedenstruppen auf dem Balkan und in Afrika. Hier will die EU dafür werben, die Zusammenarbeit auf das zivile Krisenmanagement auszuweiten.

Auch die USA scheinen die Mittelmeerregion ähnlich zu bewerten wie die Europäische Union. Just zum Zeitpunkt der EU-Mittelmeerkonferenz reist nämlich auch US-Außenminister Colin Powell – zwischen seiner Teilnahme an der OSZE-Konferenz in Maastricht und der Nato-Außenministertagung in Brüssel – in die Maghrebstaaten. Die Lage im Irak, der Kampf gegen den Terrorismus, der Friedensprozess im Nahen Osten und die politischen und ökonomischen Reformen in der Region stehen auf der Liste der Themen, die Powell in Tunesien, Marokko und Algerien ansprechen will. In Algerien steht außerdem dem Vernehmen nach die Errichtung eines Stützpunktes des amerikanischen Geheimdienstes CIA als Anti-Terror-Basis an. Ob dies in der Region nur auf Zustimmung stoßen wird, ist fraglich. In Tunesien werden schließlich schon jetzt Stimmen laut, die „gegen das amerikanische Verständnis von der Demokratisierung der Region“ protestieren.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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