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Politik: Wie die Kamele

Über 40 Grad sollen es am Wochenende werden – und die Deutschen fangen an, sich dauerhaft darauf einzustellen

Kamele haben es gut, die sind Hitze gewohnt. Außerdem haben sie das dicke Fell abgeworfen und tragen nur noch ein dünnes Kleid. Viele Berliner halten es überhaupt nur noch am Halensee und im Tiergarten aus. Sie erfreuen sie sich am Hoch Michaela, das Deutschland weiter mit Rekordhitze versorgt. „Vierzig Grad sind möglich“, sagt Meteorologe Thomas Schmid vom Deutschen Wetterdienst. Die bisherige Spitzenmarke von 40,2 Grad, gemessen vor 20 Jahren im bayerischen Gärmersdorf, wird wohl fallen. Mehrere Orte kommen in Frage, meint Deutschlands bekanntester Wetterexperte Jörg Kachelmann vom Wetterdienst Meteomedia. Berlin dürfte nicht darunter sein, hier sind bis Dienstag „nur“ etwa 34 Grad zu erwarten.

Viel heißer dürfte es in der Lausitz auch nicht werden, doch die Bergleute werden in aufgeheizten Kohleflözen und auf glühend heißen Schaufelradbaggern weiter leiden und die Pause in klimatisierten Containern herbeisehnen. Viel trinken heißt da die Devise und die gilt generell in diesen Hundstagen. Sonst könnte es zum Kollaps kommen. Auch junge, widerstandsfähige Menschen seien gefährdet, sagt Professor Sascha Weilemann vom Universitätsklinikum Mainz, der einen 19-Jährigen wegen Hitzschlags behandeln musste. Bei schwerer körperlicher Anstrengung und zu wenig Flüssigkeitszufuhr hat die normale Temperaturregulation des Körpers ausgesetzt. Dazu gehört in erster Linie das Schwitzen.

So sollte sich niemand beklagen, dem der Schweiß in Strömen herunterläuft. Vielleicht liegt es an dieser falschen Einstellung gegenüber dem Kühlsystem des Körpers, dass mittlerweile viele Deutsche die derzeitigen Temperaturen zu heiß finden und jeder Fünfte sogar unter der Hitze leidet. Im Westen genießen dieser Emnid-Umfrage zufolge etwas mehr Menschen den Sommer als im Osten. Vielleicht, weil sich dort mehr Grüne tummeln, die sich über die Drosselung des Kernkraftwerkbetriebs freuen – denn das Kühlwasser aus den Flüssen ist zu warm. Die Stromversorgung ist jedoch nicht eingeschränkt. Der Preis für die Kilowattstunde hat schon deutlich angezogen, das ist weniger schön.

Begeben wir uns zum Trost aufs Wasser, da ist es sowieso am angenehmsten. Das finden auch die Eisbären im Zoo, die seltsamerweise die Hitze genießen. Den Robben dagegen ist das Wasser zu warm, hören wir vom Zoo-Tierarzt Andreas Ochs. Ähnlich dürften die Eisbader empfinden, die den Winter herbeisehnen. Die anderen aber sollten sich auf das Wochenende freuen, auf Schwimmen und Radfahren, auf lange Abende im Freien und laue Nächte.

Paul Janositz

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