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Politik: Wie es Einstein gefällt

Von Wolfgang Schäuble

Mehr und mehr beeinflusst Europa unser politisches Geschehen. Fasziniert sehen wir die Bilder vom Titan, einem der Monde des Saturn, geradezu unglaublich scheint uns die Vorstellung, in galaktischer Entfernung Zustände anzutreffen, die denen unserer Erde aus frühesten Zeiten ähneln. Wieder haben wir uns eine Nuance weiterbewegt in der Unendlichkeit von Raum und Zeit. Ein großer Moment war dies für manchen von uns, der Zeit fand, die Aufnahmen zu betrachten, und die Ruhe und Stille, sich seine Gedanken zu machen. Ein wohl epochaler Erfolg für die beteiligten Forscher, deren Bescheidenheit ihr Selbstbewusstsein unterstreicht.

Welch ein Unterschied zur pompösen Show, mit der die Enthüllung des größten Passagierflugzeugs der Welt gefeiert wurde. Nicht die Leistungen der Ingenieure, Techniker und Arbeiter standen hier im Mittelpunkt, sondern Politiker feierten diesen Meilenstein und sich selbst mit großen Worten und einem fulminanten Programm, alles so knallig wie möglich.

Beide Male geht es um Spitzenleistungen europäischer Wissenschaft und Technik, auf die wir stolz sein dürfen, beide Ereignisse waren jedoch doch so unterschiedlich inszeniert in Ton und Stil. Wo hätte Einstein, dessen Jahr gerade eingeläutet wurde, sich wohler gefühlt? Er wusste, dass die Spitze ihren Halt in einer stabilen Basis findet.

Höchstleistungen verdanken sich meistens den Mühen der Ebene, und auch im Alltag müssen sie sich bewähren. Man wird kaum behaupten wollen, dass die beiden Ereignisse die Leistungskraft unserer Forschungseinrichtungen und Hochschulen, Schulen und Bildungsstätten der Gegenwart bestätigen, allenfalls den Glanz vergangener Zeiten. Vielmehr künden das Gezänk um Kompetenzen und Ausstattung unserer Universitäten und der Spiegel, den die Pisa-Studien uns über die Qualität der Schulausbildung vorhalten, eher von eklatanten Defiziten.

Das Scheitern der Föderalismuskommission legt allerdings den Verdacht nahe, dass manchem die Symbolwirkung inszenierter Gesten wichtiger ist als die Substanz. Der ernsthafte Wille, in gemeinsamen Anstrengungen zu einer tatsächlich nachhaltigen Kursänderung mit anspruchsvollen Zielen zu kommen, die den Bürokratismus im Bildungswesen zugunsten der Zukunftschancen unserer Kinder beiseite drängt, hat dann das Nachsehen.

Ton und Stil beschreiben auch die Diskussion um die Zukunft des Stabilitätspaktes. Geschaffen, um die Nachhaltigkeit des Geldwertes zu sichern und Vertrauen in die neue Währung zu begründen, sollen nun die Zäune eingerissen werden. Mehr Flexibilität, das klingt gut. Aber glaubt wirklich jemand, dass wir zu wenig Schulden machen und dass darin die Ursache unserer Schwäche an Wachstum und Arbeitsplätzen begründet sei?

Die Bundesbank, die Europäische Zentralbank, Währungs- und Finanzexperten warnen regelmäßig, doch darüber setzt man sich hinweg. In den Medien werden Versuchsballons gestartet, und im Parlament verweigert die Regierung die Debatte. So leichtfertig sollten wir das Vertrauen der Menschen in die europäische Einigung jedoch nicht aufs Spiel setzen. Europäische Integration gehört zu unserem wichtigsten Zukunftskapital. Allerdings braucht sie Vertrauen, und das bildet sich nicht durch inszenierte Events, sondern durch Verlässlichkeit und Stetigkeit. Nachhaltigkeit darf nicht zu einem schon überholten Modewort werden.

Der Autor ist Mitglied des CDU-

Präsidiums. Er schreibt diese Kolumne im Wechsel mit Bundestagsvize-

präsidentin Antje Vollmer und Richard Schröder, Professor für Theologie an

der Humboldt-Universität zu Berlin.

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