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Wasserwerfer und Tränengas wurden massiv eingesetzt. Foto: dpa

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Politik: Wieder Straßenkämpfe in Istanbul

Türkische Polizei geht weiter äußerst hart vor.

Athen - Die türkische Wirtschaftsmetropole Istanbul kommt nicht zur Ruhe. Fünf Wochen nach Beginn der Massenproteste gegen die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan lieferten sich in der Nacht zum Sonntag erneut Tausende Demonstranten in der Umgebung des Taksim-Platzes heftige Straßenschlachten mit der Polizei. Die Beamten setzten Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschosse ein. Zahlreiche Demonstranten wurden verletzt, mehr als 50 festgenommen.

Die Zusammenstöße konzentrierten sich auf die Istiklal Caddesi, in normalen Zeiten eine der belebtesten Einkaufsstraßen Istanbuls, und dauerten bis in den frühen Sonntagmorgen an. Die Demonstranten riefen Parolen wie „Gemeinsam gegen den Faschismus“ und „Widerstand ist überall“. Nach einem Bericht des Nachrichtensenders CNN Türk feuerte die Polizei auch Tränengasgranaten ins Restaurant des Fünf-Sterne-Hotels Marmara am Taksim-Platz. Touristen und Passanten gerieten zwischen die Fronten der Auseinandersetzungen. Sie klagten wegen des massiven Einsatzes von Tränengas und anderen Reizstoffen, die dem Wasser der Wasserwerfer beigemischt werden, über starke Beschwerden. Auf Fernsehbildern waren Kinder zu sehen, die vor Schmerzen weinten. Ein im Internet verbreitetes Amateurvideo zeigt einen jungen Mann, der mit einer Machete Demonstranten und unbeteiligte Passanten verfolgte. Er wurde nach Polizeiangaben später festgenommen. Über seine Identität und seine Motive weiß man bisher nichts. Der Vorfall hat bei Beobachtern Besorgnisse ausgelöst. Vor dem Hintergrund der Unruhen in Ägypten fürchten viele eine Eskalation der Unruhen in der Türkei.

Zu der Demonstration am Samstag hatte das Bündnis „Taksim Solidarität“ aufgerufen. Es wollte wieder den Gezi-Park am Rand des Taksim-Platzes besetzen. Hier hatten die Proteste Ende Mai mit Demonstrationen gegen die geplante Bebauung des Parks begonnen. Nachdem die Polizei am 31. Mai mit brutaler Gewalt ein Camp im Park räumte, breiteten sich die Proteste über das ganze Land aus. Sie richten sich inzwischen gegen den von vielen als autoritär empfundenen Regierungsstil von Erdogan und die Versuche seiner Partei, der Gesellschaft ihre islamischen Wertvorstellungen aufzuzwingen. Bei den Demonstrationen, die 79 der 81 türkischen Provinzen erreichten, wurden bisher fünf Menschen getötet und nach Angaben der türkischen Ärztekammer fast 8000 Demonstranten verletzt. Erdogan geriet wegen der brutalen Polizeieinsätze international in die Kritik, feiert aber das Vorgehen der Beamten als „heldenhaft“.

In Düsseldorf demonstrierten am Sonntag tausende Anhänger Erdogans . Nach Polizeiangaben beteiligten sich rund 20 000 Menschen an der Kundgebung. Sie waren mit etwa 240 Bussen in die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt gekommen, um ihre Unterstützung für Erdogan zu bekunden. Zu der Großdemonstration hatte die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) aufgerufen. Die UETD versteht sich als überparteiliche Organisation der in Europa lebenden Türken und türkischstämmigen Bürger. An einer Gegendemonstration unter dem Motto „Solidarität mit der Bürgerbewegung in der Türkei“, zu der unter anderem die Linkspartei aufgerufen hatte, beteiligten sich laut Polizei rund 400 Menschen. Die Veranstaltungen blieben den Angaben zufolge zunächst friedlich. Die Polizei hatte mehr als 500 Beamte im Einsatz. Erst vor zwei Wochen hatten in Köln zehntausende Mitglieder der alevitischen Gemeinde gegen die Regierung in der Türkei wegen des brutalen Vorgehens gegen Demonstranten demonstriert. Gerd Höhler (mit AFP)

Gerd Höhler (mit AFP)

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