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Wiederaufbau: Sichuan bebt weiter

Ein Jahr nach der Erdbebenkatastrophe versucht sich China am Wiederaufbau. Doch die Gelder versickern oft in den Taschen der Provinzregierungen, die Bevölkerung verlangt weiter Aufklärung zu Baumängeln an öffentlichen Gebäuden.

„Das Glück ist zurück!“, lautete die Botschaft, mit der Chinas Zeitungen Ende April über eine Gruppenhochzeit in der Provinz Sichuan berichteten. Großformatige Fotos zeigten 20 Paare auf einer mit roten Bannern geschmückten Bühne, vor der sich hunderte Journalisten drängelten. Die öffentlichen Jaworte waren Teil eines propagandistischen Rührstücks: Von jedem Paar war mindestens ein Partner bei dem Erdbeben vom 12. Mai 2008 verwitwet worden, doch dass sie schon vor Ablauf des Trauerjahres zu einem neuen Bund fürs Leben bereit waren, machte sie für die Regierung zu Vorbildern der Krisenbewältigung. Auf Trümmern Träume aufzubauen hat im Sozialismus schließlich Tradition.

Gute Nachrichten aus dem Katastrophengebiet produziert der staatliche Medienapparat derzeit am laufenden Meter. Die Kommunistische Partei will den Jahrestag des Bebens der Stärke acht auf der Richterskala, das an die 88 000 Todesopfer forderte, zu einer Leistungsschau ihres Systems machen. Nach einem Jahr wirtschaftlicher Sorgen, politischer Vertrauenskrisen und sozialer Spannungen sollen die Wiederaufbauerfolge in Sichuan Pekings Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und gerade Chinas Schwachen demonstrieren, dass die Regierung sie nicht im Stich lässt. Schon Stunden nach dem Beben startete die Volksbefreiungsarmee den größten Rettungseinsatz der Geschichte. Premierminister Wen Jiabao koordinierte die Mission persönlich. Innerhalb kürzester Zeit bauten die Truppen Notunterkünfte für die rund fünf Millionen Obdachlosen und organisierten Lebensmittel, Kleidung und medizinische Versorgung. Auch zur Annahme internationaler Unterstützung war Peking nicht zu stolz: Erstmals durften ausländische Hilfstrupps nach Verschütteten suchen.

Zurück in der Hauptstadt schnürte Wen ein gewaltiges Hilfsbudget: Bis 2010 wollen Zentralregierung, Provinzen und Unternehmen drei Billionen Yuan (323 Milliarden Euro) in der Krisenregion investieren. In einem typisch chinesischen Kraftakt wurden hunderttausende Arbeiter mobilisiert, um die Infrastruktur wieder instand zu setzen. Kritiker merken allerdings an, die hohe Präsenz des Regierungschefs deute darauf hin, dass der Regierungsapparat ohne sein persönliches Engagement nicht gut funktioniere.

Auch konkretere Vorwürfe gegen Pekings Krisenmanagement stehen im Raum. Nach Angaben des chinesischen Rechnungshofs wurden bereits 1,5 Milliarden Euro Wiederaufbaumittel veruntreut; Provinzregierungen schafften sich etwa Fuhrparks mit Luxuslimousinen an.

Den meisten Widerstand erfahren die Behörden von Eltern, deren Kinder in einstürzenden Schulen ums Leben kamen. Sie fordern Aufklärung, ob die Gebäude den Sicherheitsstandards entsprachen oder ob bei ihrem Bau infolge von Korruption minderwertige Materialien verwendet wurden. Peking hat derartige Untersuchungen unter Verweis darauf verboten, dass laut Experten der Akademie für Bauwesen die Stärke des Erdbebens „Hauptgrund“ für Einstürze gewesen sei.

Da sich die Eltern damit nicht zufrieden geben, wurde Sichuans Polizei angewiesen, Demonstrationen zu verhindern. Auch gegen ausländische Berichterstatter gehen die Polizisten vor. Nach Angaben des Pekinger Verbands der Auslandskorrespondenten wurden in den vergangenen Wochen mehrere Journalisten Opfer tätlicher Angriffe. Hou Xiongfei, Direktor von Sichuans Büro für Öffentlichkeitsarbeit, rechtfertigte das damit, dass ausländische Medien Unruhe gestiftet hätten.

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