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Politik: „Wir brauchen einen Kalten Krieg gegen den Irak“

Der russische Oppositionspolitiker Grigorij Jawlinskij über Saddams Regime und dessen Ähnlichkeit mit einer Sowjetregierung

G. JAWLINSKIJ (50)

ist Chef der liberalen

JablokoPartei. Bereits zweimal kandidierte er für das Amt des russischen

Präsidenten.

Foto: AP

Sollte Russland im UN-Sicherheitsrat ein Veto gegen eine neue Resolution einlegen?

Nein. Aber Russland müsste viel aktiver an einer wirklichen Lösung mitarbeiten. Die richtige Antwort lautet nicht einfach: Krieg anfangen oder nichts tun. Wir sehen im Moment, dass in der irakischen Regierung große Veränderungen möglich sind, wenn sie unter Druck gesetzt wird. Russlands Ziel muss es sein, die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft wiederherzustellen. Die Geschlossenheit der westlichen Welt einschließlich Russlands ist eine Vorbedingung für positive Veränderungen. Russland muss die Initiative ergreifen, um eine neue Situation zu schaffen: Es ist notwendig, eine Art Kalten Krieg gegen den Irak zu beginnen, keinen „heißen“ Krieg. Eine große, internationale Truppe müsste dafür rund um den Irak aufgestellt werden.

Müsste sie dann nicht aber notfalls doch zum Krieg bereit sein?

Sie müsste auf einen Krieg vorbereitet sein, ihn aber nicht unbedingt führen. Aufgabe dieser Truppe wäre es vielmehr, einen starken indirekten Druck auf Saddam auszuüben. Dafür muss sich die internationale Gemeinschaft auf einen Kompromiss verständigen: Die USA müssten zugestehen, dass der Krieg derzeit nicht auf der Tagesordnung steht. Er steht noch auf der Liste, aber erst ganz am Ende. Deutschland, Frankreich und Russland müssten im Gegenzug ihre Truppen in die Region schicken, um Saddam zu zeigen, dass wir geschlossen gegen ihn stehen.

Und die UN-Waffeninspektionen sollen währenddessen weitergehen?

Ja. Saddam Husseins Regime ähnelt einer Sowjetregierung. Das bedeutet, dass dieses Regime geändert werden kann. Es kann auch bis zu einem gewissen Maß von innen zerfallen. Aber dafür muss man bestimmte Vorbedingungen schaffen, darunter Druck von allen Seiten auf den Irak.

Sie sagen, Moskau müsse die Geschlossenheit der internationalen Gemeinschaft wiederherstellen helfen. Aber hat Russland in den letzten Wochen nicht auch mit dazu beigetragen, dass es jetzt zwei Lager gibt?

Russland war dabei keineswegs der Hauptakteur. Schlimm wäre es aber, wenn Russland versuchen würde, die Meinungsverschiedenheiten auszunutzen, um für sich selbst Vorteile herauszuschlagen.

Nun hat sich Russland aber auf die Seite Deutschlands und Frankreichs gestellt.

Russland stellt sich auf jedermanns Seite, auf die der USA und zugleich auf die der Deutschen und Franzosen. Auch mit dem Irak wird geredet. Es ist eine Art postmoderne Politik. Wir haben ja auch zugleich die sowjetische Hymne, das zaristische Wappen und eine demokratische Fahne. Aber es wird nicht funktionieren, zugleich auf drei Stühlen zu sitzen.

Wie wird sich die Krise auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA auswirken?

Ich glaube, Putin hat bereits eine Abmachung mit Bush. Am Ende wird sich Russland nicht gegen die USA stellen – und wird also kein Veto einlegen. Aber bis dahin wird Russland so lange wie möglich sein Spiel spielen.

Das Gespräch führte Claudia von Salzen.

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