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Politik: „Wir brauchen mehr als ein Ministerium“

Matthias Platzeck fordert für die Ost-SPD das ungeteilte Bau- und Verkehrsressort und die Zuständigkeit für Familie

Herr Ministerpräsident, ist das Thema PDS nach der Wahl vom 22. September bundespolitisch erledigt?

Ich bin kein Hellseher, aber ich fände es schon verwunderlich, wenn die PDS in vier Jahren wieder in den Bundestag einziehen würde. Vorausgesetzt, wir machen eine gute Politik für Ostdeutschland.

Gab es einen Sonderfaktor Gregor Gysi, der die PDS herunterzog?

Das wäre eine verkürzte Wahrnehmung. Wir haben schon vorher, während des Wahlkampfes, gespürt, dass etwas anders ist als früher. Erste Analysen sagen, dass die PDS verloren hat, weil sie eine Milieupartei ist. Das teile ich. Dieses Milieu wächst sich langsam aus. Die PDS hat überall verloren, und sie hat vor allem an uns verloren. Das ist auch eine Verpflichtung für uns, denn natürlich ist das Thema nicht abgehakt.

Ist das gute SPD-Wahlergebnis ein „Wir-wollen-Schröder“-Ergebnis, oder ein „Wir-wollen-Stoiber-nicht“-Ergebnis?

Es ist, wie immer im Leben, eine Mischung. Edmund Stoiber hat im Osten weder die Herzen noch die Köpfe der Menschen erreicht. Und dann kamen natürlich die Signale aus dem Süden und dem Südwesten in den letzten Jahren hinzu, nehmen Sie nur deren Verhalten bei den Gesprächen über den Länderfinanzausgleich oder den Solidarpakt. Und Gerhard Schröder hat auch Sympathien, weil er den Menschen bodennäher erscheint.

Mit welcher Strategie wollen Sie im Osten die PDS zurückdrängen?

Man muss das gesamte Entwicklungspotenzial im Osten nutzen. In Zukunft geht es nicht mehr um die verlängerte Werkbank, sondern um die Nutzung der hier an Hochschulen und Fachhochschulen erarbeiteten Forschungsergebnisse. Um deren Umsetzung in Form von Technologietransfer in Firmen nicht nur im Westen, wie das jetzt noch oft geschieht, sondern bei uns im Osten.

Das ist doch auch eine Frage der Infrastruktur.

Ja, natürlich, der Ausbau der Infrastruktur muss einen Schwerpunkt Ost haben. Nach dem jetzigen Stand der Koalitionsvereinbarungen wird das auch so sein. Die Lücke zum Westen ist immer noch sehr groß, und solange die nicht geschlossen ist, können wir uns ein Aufholen bei der wirtschaftlichen Entwicklung abschminken. Personen spielen dabei eine große Rolle, bis hinein ins Bundeskabinett. Das haben wir früher ohne jeden Zweifel unterschätzt. Die Menschen im Osten müssen sich da so repräsentiert fühlen wie die aus anderen Bundesländern. Mir ist da nicht bange, und an der Person von Manfred Stolpe sehen Sie ja, wie uns das auch Stück für Stück gelingt. Da findet zwischen Rostock und Suhl eine Identifikation mit einer Person statt, wie wir das früher höchstens mit Regine Hildebrandt hatten.

Heißt das, dass Sie früher die Machtspielchen nicht so richtig durchschaut haben?

Ja. Wir haben in den Ostverbänden der SPD gemeinsame Ziele und Interessen, dann müssen wir sie auch formulieren und durchsetzen.

Was Personen und Ministerien in Berlin betrifft, waren Sie noch nicht sehr erfolgreich. Man konnte lesen, dass Sie sauer waren…

Das gehört zum Geschäft, und im Moment gibt es auch noch keinen Grund, sich besonders begeistert zu zeigen. Entscheidungen sind noch nicht gefallen, und manches, was diskutiert wird, gefällt uns nicht.

Zum Beispiel ein aufgeteiltes Bau- und Verkehrsministerium.

Politik bildet sich auch in Symbolen ab. Der Osten hat in den Bereichen Bauen und Verkehr die größten Defizite. Es wäre also fast ein doppeltes Symbol, genau an diese Stelle jemand zu setzen, der eine Ostbiografie, ein Ostgesicht hat. Noch eines: Wenn eine Region mit 17 Millionen Wählern vier wichtige Posten hat, dann muss eine andere Region mit vergleichbar vielen Menschen sicher nicht ebenfalls vier Posten erhalten, aber doch eine vergleichbare, angenäherte Zahl.

Was ist mit dem Familienministerium?

Wenn Sie sich meine Äußerungen anschauen, werden Sie feststellen, dass ich immer davon ausgehe, dass dieses Ministerium weiter mit jemand aus dem Osten besetzt werden wird.

Hat es denn vor der Wahl Zusagen gegeben, zum Beispiel bezüglich der Besetzung eines Infrastrukturministeriums mit einem prominenten Ostvertreter?

Vor der Wahl haben wir nicht ans Verteilen gedacht. Die Siegesgewissheit reichte ja auch nicht gerade bis unter die Decke.

Wäre ein abgespecktes Ministerium für die Ost-SPD ein Rückschlag für Sie?

Tja. Dann hätten wir wieder was gelernt.

Was?

Zum Beispiel die Bedeutung von Gremienarbeit und dass man manchmal lange sitzen muss, um zum Erfolg zu kommen. Man muss halt immer da sein. Da hat uns Manfred Stolpe übrigens schon sehr geholfen.

Sollte das, was Manfred Stolpe macht, künftig an ein besonderes Amt gebunden sein?

Er ist ja Chef des Forums Ost. Ob er mehr machen will, muss er selbst entscheiden. Er hat ja gesagt, dass er sich jetzt so frei fühlt wie noch nie. Dass er immer ein guter Griff wäre, steht völlig außer Frage. Und wie wir Manfred Stolpe kennen, werden wir es eine Stunde nach seiner Entscheidung erfahren.

Spielt für einen ostdeutschen Sozialdemokraten Ihrer Generation Willy Brandt noch eine Rolle?

Natürlich, er ist ein bleibendes Vorbild. Im Osten war er wie eine Ikone. Und 1990 hatte ich das Glück, dass er ein bisschen mein Lehrmeister war, als wir uns in Tutzing trafen.

Das Interview führten Gerd Appenzeller, Markus Feldenkirchen und Michael Mara.

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