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Politik: „Wir dürfen uns nicht in eine Rolle drängen lassen“

Bayerns Landtagspräsident Glück über die Union in einer großen Koalition, Politikfehler – und die Stoiber-Nachfolge

Nach langem Zögern will Edmund Stoiber doch nach Berlin. Was wäre das Richtige für ihn? Wirtschaft oder Außenpolitik?

Es wäre kontraproduktiv, jetzt ein öffentliches Wunschkonzert zu veranstalten. Aber es ist eine Grundvoraussetzung, dass der CSUVorsitzende in dieser Koalition eine wichtige Aufgabe bekommt.

Finanzpolitik wäre zu undankbar?

Um dankbar oder undankbar geht es nicht. Insofern kann man das auch nicht ausschließen. Es ist aber zu überlegen, ob ausgerechnet der kleinste Koalitionspartner diese Thematik schultern soll.

Was wird aus Bayern ohne Stoiber?

Edmund Stoiber bleibt Parteichef und wird in dieser Rolle die politische Entwicklung in Bayern mitgestalten. Außerdem haben wir eine starke Mannschaft. Von daher wird das kein großes Problem sein.

Im Konsens scheint man sich schon mal nicht auf den Nachfolger als Ministerpräsident einigen zu können. Staatskanzleichef Erwin Huber ist bereits vorgeprescht …

Das Ungute ist, dass wir vom Berliner Fahrplan abhängig sind. Bis die Dinge dort ausverhandelt sind, wird es noch Wochen dauern. Damit müssen wir jetzt auch in Bayern sehr diszipliniert umgehen – um nicht Menschen zu beschädigen und Gräben aufzureißen.

Ist Hubers Gegenkandidat Beckstein überhaupt denkbar als Ministerpräsident? Ein Franke und noch dazu Protestant …

Das spielt überhaupt keine Rolle mehr. Weder Konfession noch landsmannschaftliche Herkunft haben hier wirkliche Relevanz. Es kommt mehr auf den Menschen, auf die Persönlichkeit an.

Sie selber wollen offenbar nicht, trotz Theo Waigels Drängen. Bleibt es dabei?

Es bleibt dabei. Ministerpräsident ist für mich kein Thema und kein Ziel.

Warum?

Weil es naheliegender ist, dass ein jüngerer die Aufgabe übernimmt. Ich bin jetzt 50 Jahre im Beruf und 35 Jahre im Parlament. Mein Lebensentwurf ist es, zum Ende dieser Legislaturperiode aus der aktiven Politik auszuscheiden.

Mit Ihrem Konzept der „solidarischen Leistungsgesellschaft“ stehen Sie für etwas, das der CSU abhanden zu kommen scheint: Werte.

Der CSU sind nicht Werte abhanden gekommen, aber es fehlt der ganzheitliche Politikansatz. Das ist gegenwärtig ein Defizit aller Parteien. Wir sind in der Gefahr, dass wir am Haus Deutschland bauen mit vielen Fachgewerken, aber ohne Gesamtarchitektur. Da kann ich weiter meinen Beitrag einbringen. Und nach den Erfahrungen der Bundestagswahl ist die Aufnahmebereitschaft dafür jetzt viel größer.

War denn der Wahlkampf zu sehr auf Wirtschaftsthemen ausgerichtet?

Die Politik in Deutschland ist seit längerem wegen der drängenden ökonomischen Probleme in eine gewisse Einseitigkeit geraten. Es geht nicht um weniger Reformen und mehr Soziales. Es geht um die Frage: Wie können und wollen wir morgen leben? Dazu gehören die ökonomischen Grundlagen und der soziale Ausgleich. Aber auch all das, was mit der Identität des Landes zu tun hat: Patriotismus, Heimat, Engagement fürs Gemeinwesen.

Ist Einseitigkeit nur ein Problem der Merkel-CDU oder auch der Stoiber-CSU?

Sie ist auch ein Problem der SPD. Als C-Parteien sind wir aber in besonderer Weise gefordert, den wieder aufgebrochenen Dualismus von Ökonomie und sozialer Verantwortung zu überwinden.

Viele rufen wieder nach Seehofer. Steht das für eine Kehrtwende in der Sozialpolitik?

Mit Horst Seehofer verbindet sich eigentlich nur ein Konflikt: die Position zur Gesundheitsprämie. Seehofer ist aber ein Sozialpolitiker, der schon immer ökonomische Realitäten und deren Konsequenzen gesehen hat. Wir haben keine grundsätzliche Meinungsverschiedenheit.

Es ist nicht lange her, da wurde Seehofer als gesundheitspolitischer Sprecher der Union abserviert. War das falsch?

Er ist nicht abserviert worden, sondern selbst zurückgetreten. Als stellvertretender Parteichef ist er aber immer im engeren Führungsbereich geblieben. Dass es mal atmosphärische Störungen oder Meinungsverschiedenheiten gibt, ist normal.

In einer großen Koalition könnte die SPD den sozialen Bewahrer spielen. Die Union hätte dann die unpopuläre Rolle, Reformen vorantreiben zu müssen …

Diese Arbeitsteilung darf die Union nicht zulassen. Das muss man bedenken bei der Zuordnung von Ministerien und Aufgaben. Unser Markenzeichen muss eine in sich schlüssige Gesamtposition sein. In keinem Fall dürfen wir uns in eine Rollenverteilung drängen lassen nach dem Motto: Wir sind für die schmerzlichen Veränderungen zuständig und die SPD für Menschlichkeit und soziale Abfederung.

Bei den Wahlen haben die Wähler die CSU vielleicht auch deshalb abgestraft.

Wir sind immer noch erheblich stärker als die CDU in irgendeinem anderen Land. Ohne diesen überdimensionalen Beitrag der CSU wäre die Union als Fraktion jetzt nicht stärker als die SPD. Aber das Wahlergebnis war ein sehr deutlicher Hinweis, sich mit diesem Thema sehr gründlich und offen auseinander zu setzen.

Die CSU übt sich in Selbstkritik?

Wir führen im Gegensatz zur CDU intern eine sehr offene und konstruktive Diskussion. Nicht auf der Basis von Schuldzuweisungen, sondern mit Blick auf Sachfragen und Schlussfolgerungen für die Zukunft.

Das Gespräch führte R. Woratschka

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