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Politik: "Wir erwarten nicht, daß die Kosovaren eine Sprache sprechen"

SKOPJE . Gerade noch saß die junge Frau in sich zusammengesunken in dem viel zu tiefen Sessel.

SKOPJE . Gerade noch saß die junge Frau in sich zusammengesunken in dem viel zu tiefen Sessel. Rauchend, immer wieder rauchend. Es ist nachts, nach zwei Uhr, nein, Alkohol jetzt nicht, lieber einen doppelten Espresso. Einen Wimpernschlag später ist Donika Gervalla auf die Sitzkante vorgerückt, das Kreuz kerzengerade. Sie will reden, nicht schlafen. Wie auch schlafen? In drei Stunden geht es in jene Stadt, die sie glaubte, nie wieder zu sehen. Pristina, die Hauptstadt der einst autonomen Provinz Kosovo. Zentrum des politischen Widerstandes gegen das Diktat Belgrads. Kultureller Mittelpunkt. Drehscheibe für die Intellektuellen albanischen Ursprungs aller Nachbarstaaten. Und Zentrum der "Demokratischen Liga Kosovas" (LDK) des politischen Führers Ibrahim Rugova.

Den Abschied aus Pristina erlebte Donika Gervalla als Achtjährige, 1979. Am Mittwoch kehrte sie dorthin zurück - als Sprecherin der LDK und als talentiertes Sprachrohr des Präsidenten Rugova.

Zwei Monate nach der Verschleppung Rugovas aus Belgrad nahm die LDK am Mittwoch ihre Arbeit in der heftig umkämpften Stadt wieder auf. Rugova, von den Kosovaren 1992 und 1998 zum Präsidenten gewählt, ohne international anerkannt zu sein, wird in den nächsten Tagen nach Pristina heimkehren.

Ob die Partei nahtlos an jene Sympathie bei den Kosovaren anknüpfen kann, derer sie sich zwischen 1989 und 1998 im passiven Widerstand gegen das Belgrader Regime sicher sein konnte? Oder hat die UCK im letzten Jahr die Menschen überzeugen können, daß nur gewaltsamer Widerstand das Land befreit - mit der Nato als stärkstem Verbündeten im Rücken? "Wir erwarten nicht, daß die Kosovaren nach Massakern und Vertreibung mit einer Sprache sprechen", sagt die Jura-Studentin Gervalla: "Die UCK steht für den militärischen Einsatz, die LDK für ein politisches Konzept." An den Zielen der LDK habe sich nicht viel geändert: ein unabhängiger Staat Kosovo, in dem Kosovaren und Serben zusammen leben, Gewaltfreiheit, Aufbau demokratischer Strukturen, Einbindung in Europa und der Verzicht auf ethnische Abgrenzung und nationalistische Sonderwege. Sonderwege? Sollten die Russen in Pristina bleiben und es schließlich doch zu einer Teilung des Kosovo kommen, dann wird es schwer für Rugova. Seine Sprecherin: "Sollte es zur Teilung kommen, verlieren erneut einige Million Kosovaren ihre Heimat. Die werden das nicht ertragen."

CLAUDIA LEPPING

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