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Politik: …wir fast bis Bebra kommen

Jesus, heißt es, kam nur bis Eboli. Gert Postel immerhin bis Zschadraß, was für einen Postboten aus Bremen auch schon eine Strecke ist, wenngleich er die seinerzeit, 1995, natürlich nicht zu Fuß oder mit dem klapprigen Dienstfahrrad hat zurücklegen müssen, ganz im Gegenteil.

Jesus, heißt es, kam nur bis Eboli. Gert Postel immerhin bis Zschadraß, was für einen Postboten aus Bremen auch schon eine Strecke ist, wenngleich er die seinerzeit, 1995, natürlich nicht zu Fuß oder mit dem klapprigen Dienstfahrrad hat zurücklegen müssen, ganz im Gegenteil.

Postel landete damals so überzeugend standesgemäß in dem sächsischen Nest an, dass man ihm gleich eine Stelle als Oberarzt in der örtlichen Psychiatrie anbot. Dort wirkte er dann bis 1997, recht segensreich im Übrigen und bisweilen mit beachtlichem therapeutischen Erfolg, was zuvörderst an seinem weißen Kittel gelegen haben mag, wiewohl auch an seinem einfühlsamen Charakter. Dann flog der Schwindel auf, es musste ja so kommen: Postel wanderte wegen Hochstapelei für vier Jahre in den Bau, und dieses, na, wie hieß das Dorf schnell wieder, Moment ja – Zschadraß! – wanderte in die Versenkung.

Das mag man als schade empfinden. Oder auch nicht. Bitte, da sind die Geschmäcker verschieden, und Zschadraß steht mit diesem Schicksal beileibe nicht allein. Oder weiß irgendjemand, was aus Wackersdorf geworden ist? Aus Leimen? Gibt es Bebra überhaupt noch, den Ort, der früher, zumindest eisenbahntechnisch gesehen, wie eine Eins dastand, weil dort aus irgendwelchen Gründen obskurer Logistik die „Interzonenzüge“ hielten? Bebra, man muss das wohl so sagen, ist seit dieser Zeit ein wenig aus dem engeren Blickfeld des öffentlichen Interesses geraten.

Zschadraß, wie gesagt, auch. Das aber muss nun nicht unbedingt so bleiben, denn dieser Tage hat Gert Postel wieder einmal von sich hören lassen, im Internet, im Gästebuch der Gemeinde sowie per E-Mail bei Bürgermeister Schmiedel. Es wäre doch schön, schlägt der falsche Onkel Doktor vor – der als echter Autor seine Biographie unter dem sinnigen Titel „Doktorspiele“ veröffentlicht hat –, wenn man ihn zum „Ehrenbürger“ von Zschadraß machte. Schließlich, sagt Postel, habe er die Gemeinde „aus der Anonymität eines Provinzdörfleins in die Literatur katapultiert“.

Da ist gewiß was dran. In unserer schnelllebigen Zeit, in der sich die Fenster der Aufmerksamkeit so rasant wieder schließen, wie sie sich aufgetan haben, ist nachhaltiger Glanz ein Wert an sich. Vielleicht könnten die Zschadraßer Postel ja samt der von ihm verfassten Literatur ins benachbarte Colditz katapultieren. Dort steht im Herbst die Lesung aus Postels nächstem Buch an. Vbn

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