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Erkundung. Deutsche Soldaten beobachten im afghanischen Feisabad das Gelände. Foto: Rainer Jensen/dpa

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Politik: „Wir haben mehr Feindkontakte“

Isaf-Regionalkommandeur Hans-Werner Fritz über immer rabiatere Taliban und das Partnering mit Afghanen

Acht Bundeswehrsoldaten sind 2010 in Afghanistan ums Leben gekommen, insgesamt sind es 44. Gibt es hier am Hindukusch irgendetwas zu gewinnen, das diesen Preis wert wäre, Herr Fritz?

Wenn es um Afghanistans Sicherheit geht, geht es auch um unsere. Und die Afghanen zählen auf uns. Darum sagen wir: Jetzt erst recht. Die Opfer dürfen nicht umsonst gewesen sein. Ich glaube auch, dass wir auf dem richtigen Weg sind: Die Aufständischen merken, dass wir an einem Kulminationspunkt angekommen sind.

Was heißt das?

Derzeit steigt die Zahl der Gefechte, die Zahl der getöteten Soldaten, die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorkommnisse. Die Leute unserer Quick Reaction Force (QRF) haben zuletzt das scharfe Ende unseres Berufes kennengelernt, das muss man schon sagen. Und wir müssen damit rechnen, dass es noch schlimmer werden könnte, bevor es besser wird.

Wie ist es um die Sicherheitslage in Afghanistan bestellt?

Die Reaktionen der Taliban werden immer irrationaler und ihr Vorgehen immer rabiater. Nehmen Sie das Attentat auf den Gouverneur von Kundus, Muhammad Omar, Anfang Oktober, an einem Freitag, beim Gebet in der Moschee – das ist so, als wenn man jemanden bei der Ostermesse in einer Kirche ermordete und dann erklärte, man sei ein überzeugter Christ.

Zu Jahresbeginn wurde eine verstärkte Ausbildung der afghanischen Armee und Polizei, Stichwort „Partnering“, beschlossen. Wie stellt sich das in der Praxis dar?

Die Soldaten gehen Schulter an Schulter ins Gefecht. Wir haben uns gegenseitig eine Vertrauensbasis erarbeitet, die beeindruckend ist. Das ist ja nicht nur für unsere jungen Kompanieführer etwas Neues, dass hier zwei verschiedene Kulturen aufeinandertreffen – das gilt ja auch für die afghanischen Kameraden. Wir vertrauen uns gegenseitig unser Leben an. Das ist nicht wenig. Und obwohl die Sprache, die Kultur, das unterschiedliche militärische Denken uns trennen, haben wir im scharfen Schuss erlebt: Es geht.

Wird das Arbeiten der Bundeswehrsoldaten durch Partnering gefährlicher?

Die Afghanen sollen zunehmend selbst die Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen. Wir sagen, wir geben euch nicht nur guten Rat und gute Lehre, sondern auch wenn es an die praktische Umsetzung geht, sind wir dabei – und das Risiko dabei tragen wir gemeinsam.

Und ist das größer als zuvor?

Um es mal mit einem Bild zu sagen: Wenn der Jäger in ein Waldstück geht, in dem er zuvor noch nie war, dann scheucht er dort das Wild auf. Will sagen: Wir haben jetzt mehr Truppen hier, wir gehen mehr raus, in die Fläche, verlassen das Lager – und deshalb haben wir auch mehr Feindkontakte. Das heißt durchaus nicht, dass alles immer schlimmer wird.

Es gibt immer wieder Berichte über mangelnde Loyalität, Überläufer zu den Taliban und dass die Partner zu verabredeten Operationen einfach nicht erscheinen.

Das gibt’s. Wir wollen das nicht, wir wollen zuverlässige Partner haben, aber solche Vorkommnisse kann man nie hundertprozentig ausschließen. Wenn wir offen mit den Afghanen zusammenarbeiten, laufen wir auch immer Gefahr, dass Informationen weitergegeben werden. Das ist nun einmal so. Aber generell gilt: Wenn sie einmal Vertrauen gefasst haben, arbeiten die Afghanen loyal mit uns zusammen.

Sind die deutschen Soldaten für die Aufgabe bestmöglich ausgerüstet?

Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit. Auch während wir uns hier unterhalten, könnte eine Rakete einschlagen. Manches könnte besser sein. Aber ich glaube, dass wir trotz der zahlreicher werdenden harten Gefechte nicht noch mehr Opfer zu beklagen haben, ist auch dem Umstand zu verdanken, dass wir durchweg gut ausgerüstet und ausgebildet sind. Ich habe mich mehrfach mit verwundeten Soldaten unterhalten und gefragt: Unter uns – müssen wir etwas anders machen? Die Jungs haben gesagt, nein, wir liegen richtig mit dem, was wir tun.

Was könnte dennoch besser sein?

Das Regionalkommando Nord ist halb so groß wie die gesamte Bundesrepublik. Je größer der Verantwortungsbereich, desto wichtiger ist die Luftunterstützung des Einsatzes. Ich würde mir deshalb zum Beispiel mehr Hubschrauber wünschen. Im Moment wird das aufgefangen durch die Amerikaner, die hier mit Kampf-, Medevac- und Transporthubschraubern arbeiten. Das ist eine große Hilfe. Deshalb fehlt mir im Moment an dieser Stelle nichts, aber mittel- und langfristig wäre es schon gut, wenn wir diese Komponente selbst entwickelten und der Tiger und NH-90 einsatzfähig würden.

Man könnte denken, Sie fühlten sich durch die Anwesenheit der Amerikaner düpiert.

Ganz und gar nicht. Was wir hier machen, ist der Leim, der die Nato schon immer zusammengehalten hat. Wir gehen gemeinsam rein, und wenn irgendjemand eine Fähigkeitslücke hat, dann macht es halt der andere. Ich bin dankbar für die Hilfe der Amerikaner. Ich habe sie unter meinem Kommando, das ist das erste Mal, dass ein deutscher Kommandeur eine US-Truppe im Einsatz führt, und das läuft ganz prima.

Hans-Werner Fritz

ist Kommandeur des Regionalkommandos Nord der

Internationalen Schutztruppe in

Afghanistan (Isaf).

Das Gespräch führte Michael Schmidt.

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