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Politik: „Wir haben noch einen ganz guten Verstand“Ex-Postminister nimmt Abschied vom Bundestag – nach 26 Jahren

Von Christian Schwarz-Schilling 26 Jahre Deutscher Bundestag und zehn Jahre Hessischer Landtag machen die Hälfte meines Lebens aus: vom 36. bis zum 72.

Von Christian Schwarz-Schilling

26 Jahre Deutscher Bundestag und zehn Jahre Hessischer Landtag machen die Hälfte meines Lebens aus: vom 36. bis zum 72. Lebensjahr. Und da soll man „cool“ dasitzen, innerlich nicht berührt sein, wenn es Abschied nehmen heißt? Nein – wir, die wir das Parlament jetzt verlassen, haben noch einen ganz guten Verstand und kein steinernes Herz.

Meine Generation lebte in einer Zeit, in der die Kindheit von Angst, Krieg und Diktatur geprägt war. Ich hatte nicht nur das Glück zu überleben, sondern auch eine Grunderfahrung: dass es viel Schlimmes und Böses auf dieser Welt gibt und dass man dagegen kämpfen muss! Mit 16 Jahren kam ich dann von der damals Sowjetisch Besetzten Zone (SBZ) nach West-Berlin, und es begann das Leben in Freiheit, in menschlicher Würde, ohne Angst vor Staat und Polizei. Dieser Aufbruch in meinem Leben, dieses Glücksgefühl, nunmehr tatsächlich in einem freien Land zu leben, war meine zweite Grunderfahrung – und ist bei mir immer mit dem Dank an die Amerikaner verbunden.

Praktisch ging es in der zweiten Hälfte meiner ersten 36 Lebensjahre immer weiter nach oben. Womit hatte ich das eigentlich verdient? Wenn ich das Schicksal meiner Eltern betrachtete, die in ihrer Lebensmitte vor dem größten Trümmerhaufen der deutschen Geschichte standen, da spürte ich, wie hilflos man dem Schicksal gegenüber steht. Das war die dritte Grunderfahrung: Ich bekam das Gefühl, dass man eine Bringschuld für die Politik hat, dass man sich am Aufbau von Staat und Demokratie, am Erhalt von Freiheit und Frieden beteiligen sollte.

So trat ich im Jahre 1960 der CDU bei und begann meine parlamentarische Laufbahn im Hessischen Landtag. 1976 ging ich dann nach Bonn in den Deutschen Bundestag. Ich wurde Medienpolitischer Sprecher der CDU, Vorsitzender der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages für Informations- und Kommunikationstechnologien und erhielt im Jahre 1982 durch Helmut Kohl die Chance, als Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen eine Neuordnung der Post, der Telekommunikation und der Medien in die Wege zu leiten.

Diese zehn Jahre Ministertätigkeit waren eine faszinierende Epoche, da auch technologisch genau zu diesem Zeitpunkt förmlich eine technische Revolution durch Mikroelektronik, Digitalisierung, Satellitentechnik und Glasfaser die Entwicklung beherrschte. Abschaffung der Monopole, Einführung von Wettbewerb und Nutzbarmachung der Neuen Technologie für die Bedürfnisse des Verbrauchers waren die Ziele, denen ich mich mit Eifer gewidmet habe.

Diese Reformziele waren heiß umstritten, und der politisch-ideologische Kampf ging manchmal auch unter die Gürtellinie. Aber kämpfen hatte ich in Hessen gelernt, so dass ich auch diese zweite Phase in der Politik gut überstanden habe. Und dann kam die dritte Phase: mein Rücktritt als Minister für Post und Telekommunikation, weil der Westen angesichts der Ereignisse in Jugoslawien sträflich versagte. Also widmete ich mich fortan dem Kampf für Menschenrechte, Humanität, Freiheit und Demokratie – mit Schwerpunkt in Bosnien-Herzegowina. Diese dritte und letzte Phase meines parlamentarischen Lebens dauerte auch zehn Jahre – und geht jetzt ihrem Ende entgegen.

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