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Politik: „Wir sind einem Guru gefolgt“

Die FDP in NRW tut sich schwer mit Möllemanns Ablösung. Westerwelles Personalcoup schafft Klarheit

Von Robert Birnbaum

Natürlich ist er nicht gekommen. Obwohl „manche ja schon draußen geguckt haben, ob er nicht doch da ist“, wie ein Delegierter bissig anmerkt. Trotzdem ist Jürgen W. Möllemann höchst präsent in der düster-braunen Hallenatmosphäre der Düsseldorfer Philippshalle. Es gibt beim nordrhein-westfälischen FDP-Sonderparteitag solche, die sind für ihn, und andere, die sind gegen ihn. Die meisten sind beides, und das gleichzeitig. „Die Ära Möllemann ist zu Ende“, werden mehrere Redner sagen. Viele fassen das noch nicht.

Georg Schröter will es gar nicht fassen. Schröter kommt aus Hamm in Westfalen. Bis vor ein paar Jahren kannten sich da die FDP-Wähler per Handschlag. Seit Möllemann den Landesverband übernommen hat, ging es in der früheren Kohle- und Stahlstadt für die Freidemokraten steil bergauf. Und das soll jetzt vorbei sein? Dieser Mann, der sie alle aus der Wüste geführt hat, soll aus der Partei fliegen? „Wer Möllemann aus der Partei rauswirft, wirft auch mich raus“, ruft der Endvierziger in den Saal. Schröter ist nicht allein. „Leistung muss sich lohnen“, ist der häufigste Sinnspruch der Möllemann-Verteidiger. „Stichhaltige Beweise“ für parteischädigendes Verhalten verlangt der Kreisverband Essen in einem Antrag, dem im Übrigen die Überzeugung zu entnehmen ist, dass Möllemann außer der kleinen Finanz-Geschichte eigentlich nichts vorzuwerfen sei. Nur wenige der weit über 20 Redner in der Debatte outen sich klar als Möllemann-Gegner, etwa der frühere Jungliberalen-Landeschef Christof Dammermann, der für einen selbstbewussten Neuanfang plädiert. „Wir sind einem Guru gefolgt,“ beschwört Dammermann. Der Beifall ist spärlich. Aber auch der Applaus für die Möllemannianer ist unentschieden dürr.

Oben auf der Tribüne sitzt fünf Stunden lang Guido Westerwelle und presst die Kiefer aufeinander. Mit aschfahlem Gesicht hört er mit an, wie „denen in Berlin“ unterstellt wird, sie hätten Möllemanns Politik doch gestützt und wollten bloß alte Rechnungen begleichen. Als die Debatte beendet ist, tritt der stellvertretende Landesparteichef Andreas Pinkwart ans Pult. Pinkwart gibt den Minenhund.

Schluss mit Möllemann, Schluss mit dem Mann, der der FDP gerade erst mit einer neuen Partei gedroht hat: Solche „Erpressungsversuche“ müsse die FDP abweisen, ein für allemal. Der Beifall ist deutlich. Westerwelle taxiert den Saal, dann geht er selbst ans Pult. „So geht das nicht in dieser Partei!“ ruft, nein, brüllt der Bundesvorsitzende ins Mikrofon. Er nimmt die Gegner frontal an. Dass es nichts mit Mangel an Rechtstaatlichkeit zu tun habe, wenn eine Partei einen um Stellungnahme bitte, und der schweige erst, lüge dann und schweige danach wieder. Dass es keine Petitesse sei, dass einer einen Helfer mit einem Millionen-Koffer losgeschickt habe.

Westerwelle malt das Bild vom Koffer sorgsam aus. Immer öfter klatscht notgedrungen auch der Bezirksverband Münsterland, Möllemanns Heimat. Und Westerwelle redet, das vor allem, gegen die Angst an, dass ohne Möllemann für die NRW-FDP wieder nur die Wüste wartet. „Dies ist hier auch meine Heimat!“, ruft der Parteichef.

Später, als der lange Applaus verklungen ist, sitzt Westerwelle mit leerem Gesicht auf seinem Platz. Es war die erste Rede seines Lebens, die hätte schief gehen können. Der Bezirksverband Köln aber, Westerwelles Verband, stellt den Minenhund Pinkwart als Kandidat für den Parteivorsitz auf – gegen die zweite Stellvertreterin Ulrike Flach und gegen den Wuppertaler Rolf Köster und vor allem gegen alle Absprachen. Der Personalcoup empört einen gewissen Joachim Schulz-Tornau derart, dass der auch noch kandidiert. Schulz-Tornau hat einmal vor acht Jahren den Parteichef Möllemann gestürzt. Danach begann für die NRW-FDP die Zeit der Wüste. Eine zweite Chance bekommt er nicht. Auch Flach siegt nicht, die Frau, die sich in wenigen Wochen von der Möllemannianerin zur Aufklärerin wendete. Sieger des Tages ist Pinkwart. Westerwelle verzieht keine Miene. Dies ist auch sein Sieg. Aber das soll so ganz deutlich heute in der gespaltenen Partei keiner merken.

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