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Politik: „Wir tragen die Verantwortung für Darfur“

Vor zwölf Jahren versagte die Welt in Ruanda – jetzt droht eine neue Tragödie

Von Kofi Annan Den Hoffnungsschimmer, den viele von uns sahen, als das Friedensabkommen für Darfur vor vier Monaten – wenn auch nur von zwei der Konfliktparteien – unterzeichnet wurde, haben neue Kämpfe ausgelöscht. In Verletzung des Abkommens wurden tausende sudanesische Soldaten in dem Gebiet stationiert, wieder fallen die Bomben.

Ich verurteile diese Eskalation scharf. Sudans Regierung muss die Offensive sofort stoppen, und alle Parteien müssen ihren Versprechen und den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nachkommen. Die jüngste Eskalation hat noch mehr Leid über die Menschen in Darfur gebracht, die schon mehr als genug gelitten haben. Bisher wurden 1,9 Millionen Menschen vertrieben, fast drei Millionen sind von internationaler Hilfe abhängig. Die Kämpfe haben es noch sehr viel schwerer für die humanitären Helfer gemacht, die Bedürftigen zu erreichen. Die Helfer selbst werden zunehmend das Ziel brutaler Gewalt, Bedrohungen und Schmähungen – allein in den vergangenen zwei Monaten wurden zwölf von ihnen getötet.

Vor einem Jahr stimmten die Staats- und Regierungschefs auf dem Weltgipfel überein, dass alle Staaten die „Verantwortung zum Schutz“ ihrer Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit haben. Die Regierung des Sudan wird, wenn sie an dieser höchsten Verpflichtung scheitert, Schande und Ungnade in ganz Afrika sowie der Welt ernten. Weder wer solche Maßnahmen beschließt, noch wer sie ausführt, sollte glauben, dass er nicht zur Rechenschaft gezogen würde.

Noch einmal rufe ich Sudans Regierung dazu auf, dies zu vermeiden, und dem Beschluss des Sicherheitsrats zur Stationierung einer UN-Friedenstruppe zuzustimmen. Diese wäre besser ausgerüstet und finanziert als die gegenwärtige Mission der Afrikanischen Union (AU) und hätte ein klareres Mandat zum Schutz von Menschen in Gefahr.

Seit über einem Jahr helfen etwa 10 000 UN-Soldaten, das Friedensabkommen zwischen Nord- und Südsudan umzusetzen. Am 31. August hat der Sicherheitsrat bei eindeutiger Bestätigung seiner Verpflichtung gegenüber der Souveränität, Einheit und territorialen Integrität des Sudan die Stationierung von bis zu 17 300 weiteren UN-Soldaten genehmigt, die dasselbe in Darfur leisten sollen: Das Friedensabkommen umsetzen und den Menschen dort ermöglichen, in Würde zu leben. Aber Sudans Regierung verweigert bisher ihre Zustimmung.

Vereinte Nationen und Afrikanische Union haben einem UN-Unterstützungspaket für die AU-Mission zugestimmt, damit diese ihre Arbeit in der kritischen Übergangsphase fortsetzen kann. Jedoch wird sie verstärkt Hilfe ihrer Partner der Gebergemeinschaft benötigen, inklusive der Liga der Arabischen Staaten, die maßgebliche Unterstützung angeboten und den Verbleib der AU-Mission bis Jahresende gefordert hat.

Ich habe wiederholt versucht, Sudans Regierung den Übergang zu erklären und jedes Missverständnis auszuräumen. In öffentlichen und vertraulichen Gesprächen habe ich die humanitäre Situation hervorgehoben und an den gesunden Menschenverstand der Regierung appelliert. Aber meine Stimme hat nicht ausgereicht. Einzelpersonen und Regierungen gleichermaßen müssen sich Gehör verschaffen. Wer auch immer – in Afrika und anderswo – in einer Position ist, die Regierung des Sudan zu beeinflussen, muss dies unverzüglich tun.

Der Sicherheitsrat und besonders seine fünf ständigen Mitglieder – China, Frankreich, Großbritannien, Russland, die USA – haben eine spezielle Verantwortung, dass die Botschaft an die Regierung überzeugend, klar und einheitlich ist. Jede Stimme hat eine Wirkung, und deswegen tragen wir alle gemeinsam die Verantwortung. Ich rufe jeden auf, sich meiner Stimme mit der Aufforderung an Sudans Regierung anzuschließen, den Geist der Resolution des Sicherheitsrats zu begrüßen, dem Übergang zuzustimmen und den politischen Prozess mit neuem Engagement weiterzuverfolgen.

Es gibt keine militärische Lösung für Darfur. Alle Parteien müssten verstanden haben, dass nach so viel Tod und Zerstörung nur eine politische Übereinkunft, die alle Beteiligten voll unterstützen, der Region echten Frieden bringen kann. Vor zwölf Jahren versagten die UN und die Welt in einer Zeit höchster Not des ruandischen Volkes. Können wir es uns heute mit ruhigem Gewissen erlauben, einfach zuzusehen, wie sich die Tragödie in Darfur verschlimmert?

Der Autor ist UN-Generalsekretär.

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