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Wirtschaftsförderung: 85 Millionen für eine heiße Kartoffel

Warum die große Koalition mit deutschem Steuergeld im vietnamesischen Saigon eine U-Bahn bauen will.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Es ist nicht so einfach, in diesen Tagen jemanden zu finden, der sich für den Bau einer U-Bahn in Südvietnam mit deutschem Steuergeld einsetzen will. Und dennoch muss es eine ganz besondere U-Bahn sein, die den Arbeitsnamen „Linie 2“ trägt und demnächst in der Ho-Chi-Minh-Stadt Saigon gebaut werden soll. Schließlich kennt beinahe jeder Politiker das Projekt, und der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat wegen der U-Bahn nun sogar schon den Bundeswirtschaftsminister öffentlich angezählt. Die Konsolidierung des Bundeshaushalts bis 2011 – das ambitionierteste Projekt der großen Koalition – sei gefährdet, wirft Steinbrück Michael Glos (CSU) vor. Weil der 85 Millionen Euro aus seinem Haushalt für eben diese U-Bahn in Saigon springen lassen will.

Wobei von „wollen“ eigentlich keine Rede sein kann. Ganz im Gegenteil: Glos habe nämlich eigentlich überhaupt kein Interesse, nächstes Jahr die ersten neun Millionen für das vietnamesische Projekt auszugeben. Das zumindest berichten seine Beamten, wenn sie nach dem Sinn einer solchen Millioneninvestition befragt werden. Glos, heißt es da, habe sich „breitschlagen“ lassen. Weil sich sonst in der Regierung keiner gefunden habe. Kein Kanzleramt, kein Verkehrsministerium. Auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul habe die U-Bahn in Vietnam nicht bezahlen wollen. Irgendwann muss Michael Glos dann wohl zugestimmt haben. „In Gottes Namen ...“ oder so ähnlich.

Warum gibt die Bundesregierung aber für den Bau einer U-Bahn in Vietnam 85 Millionen Euro aus, wenn am Kabinettstisch niemand dafür geradestehen will? Wohlgemerkt: Kein Darlehen ist gemeint. Richtiges Geld soll fließen, ohne Rückzahlschein.

Nächste Überraschung: Die Bundesregierung will das Millionenprojekt gar nicht erfunden haben. Es soll „ein Wunsch des Haushaltsausschusses“ gewesen sein. Sagt man. Wahrscheinlich nach dem Besuch von Haushaltspolitikern in Vietnam. Wie gesagt, nichts Genaues weiß man nicht.

Formal zuständig für eine Investition im Haushalt des Wirtschaftsministers wären im Haushaltsausschuss des Bundestags die sogenannten Berichterstatter für den Etat. Dort will keiner die Hintergründe der Saigon-Bahn kennen. Wie eine „heiße Kartoffel“ wird das Projekt behandelt, das der CDU-Haushälter Steffen Kampeter letzten Winter noch als Wirtschaftsförderung lobte.

Auch Jochen Borchert ist eigentlich nicht zuständig. Der ehemalige CDU- Landwirtschaftsminister kümmert sich neuerdings um Entwicklungspolitik. Und hat, als der 2005 das Parlament verließ, den Nachlass des CDU-Abgeordneten Manfred Carstens übernommen. Geerbt hat er auch die U-Bahn. Weil sie „Carstens am Herzen lag“. Borchert sagt, er sei „froh, dass die Finanzierung nun gesichert ist“. Weil der Bau einer U-Bahn „entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt“ sei. Und Deutschland nicht abseits stehen könne.

Die Münchner Firma Siemens macht sich große Hoffnungen auf die Millionen. Denn die Bahn in Saigon wird nur bauen dürfen, wer das technische Know-how und das Geld dafür mitbringt. Beides hat Siemens nun beisammen, noch im April will Saigon den Zuschlag erteilen.

Übrigens: Es war im Jahr 1995, als Ex-Kanzler Helmut Kohl Saigons Verkehrsverhältnisse besichtigt hat. Und mit ihm reiste ein Abgeordneter namens Glos, Michael und ein Manager namens Pierer, Heinrich von.

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