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Politik: Wo sind die Millionen von Milosevic?

MOSKAU .Einen Monat nach Beginn der Bombenangriffe auf Jugoslawien stellen sich Beobachter immer häufiger die Frage, womit Slobodan Milosevic den Krieg und die ethnischen Säuberungen im Kosovo finanziert.

MOSKAU .Einen Monat nach Beginn der Bombenangriffe auf Jugoslawien stellen sich Beobachter immer häufiger die Frage, womit Slobodan Milosevic den Krieg und die ethnischen Säuberungen im Kosovo finanziert.Geheimdienste argwöhnen, daß er dank seiner Macht über die staatlichen Monopole Jugoslawiens enorme Geldmengen ins Ausland gebracht habe.Einschlägige Konten wurden bislang vor allem in Griechenland und Zypern vermutet.Eine Spur führt wohl auch in die Schweiz, wo mittlerweile mehrere Millionen Franken auf Konten des Milosevic-Vertrauten Miograd Zecevic blockiert wurden.Die Bezirksanwaltschaft für den Kanton Zürich reagierte mit der Maßnahme auf ein Ersuchen aus Frankreich.Die Schweiz ihrerseits führe kein eigenes Verfahren gegen Zecevic, hieß es.

In Frankreich läuft gegen Zecevic ein Strafverfahren wegen Verdachts auf Vermögensdelikte.Nach unbestätigten französischen Presseberichten geht es um den Verdacht, daß Zecevic Millionenbeträge auf Bankkonten in die Schweiz verschoben haben soll, an denen die Frau und die Tochter des jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic berechtigt sein sollen.

Eine weitere heiße Spur führt aber womöglich nach Rußland: Journalisten der Wochenzeitung "Moskowskije nowosti" (MN) behaupten, auf den Konten mehrerer Moskauer Handelsbanken hätten Emissäre Milosevics seit Mitte der neunziger Jahre mehrere Hundert Millionen Dollar geparkt und gewaschen.Die Transaktionen, schreibt das Blatt, sollen über ein verschachteltes, staatsnahes Finanzimperium der Jugoslawen gelaufen sein: Serbia Incorporated, das neben Rußland auch Filialen in China, Griechenland, Zypern Österreich und den USA hat.Im Aufsichtsrat des Unternehmens sitzen jugoslawische Spitzenpolitiker, die gleichzeitig Schlüsselpositionen in den wichtigsten staatlichen Unternehmen des Landes haben: Serbiens Premier Mirko Marijanovic, der gleichzeitig Präsident des nationalen Gas-Monopolisten "Progress" ist, Nikola Sainovic, Vizepremier Jugoslawiens und Leiter des Kupferhütte RTB Bor sowie Skupstina-Präsident Dragan Tomic dem die Ölgesellschaft NIS Jugopetrol untersteht und Borislav Milosevic, der Bruder Slobodans, der seit Oktober letzten Jahres Belgrad als Botschafter in Moskau vertritt.

Als Schlüsselfiguren der dubiosen Transaktionen gelten die vier Geschwister Karic, denen die größten Handelsbanken Serbiens gehören.Firmenchef Bogoljub sitzt mit im Aufsichtsrat von Serbia inc, dessen jüngerer Bruder Dragomir ist für Rußland zuständig, wo das Unternehmen über seine russisch-jugoslawische Tochterfirma tätig wird - die AKA-Handelsbank.Bei dieser unterhält die Serbia inc.das Devisenkonto "Loro", von dem nach Erkenntnissen von "MN" durch Belgrader Bevollmächtigte regelmäßig siebenstellige Beträge abgehoben werden.Was dort gegenwärtig noch geparkt ist, schreibt das Blatt weiter, "dürfte für die Jäger, die nach den Milosevic-Millionen fahnden, extrem interessant sein."

Die AKA-Bank, gegründet von der russischen Rossinterbank und der Karic-Gruppe, bekam schon 1991 eine Lizenz in Moskau und 1992 eine der damals seltenen Genehmigungen für den Devisenhandel.Wenig später wurden Filialen im südrussischen Krasnodar, Rostow am Don und im westsibirischen Tjumen eröffnet.Die Bank arbeitet inzwischen sowohl mit Firmen- als auch mit Privatkunden, emittiert sogar VISA-Karten und unterhält in mehreren russischen Regionen eigene Tochterfirmen.Wie "MN" schreibt, arbeitet die AKA-Bank eng mit internationalen Versicherungen und mehreren europäischen Großbanken zusammen, darunter Deutsche Bank und Commerzbank.

Seinen sensationellen Durchmarsch auf dem russischen Markt verdankt das Geldhaus vor allem Top-Kontakten nach ganz oben.So werden in den Gehaltslisten des Unternehmens als Berater unter anderen der einstige sowjetische Kulturminister Sacharow und der ehemalige sowjetische Gesandte in Belgrad, Ostroumow, geführt.

Auf die heiße Spur kamen die Journalisten von "MN" offenbar durch Indiskretionen der Kollegen vom Fernsehen.Der halbstaatliche Kanal ORT, Nachfolger des UdSSR-Staatsfernsehens, dessen Frequenzen nach wie vor in der gesamten GUS empfangen werden können, bekam dieser Tage überraschend hohen Besuch: Emissäre der AKA-Bank und Diplomaten der jugoslawischen Botschaft in Moskau boten der Programmdirektion ein Exklusiv-Interview mit Slobodan Milosevic an.Der Pferdefuß: Die Fragen, die der Jugoslawien-Korrepondent des Senders stellen sollte, würde Belgrad diktieren.Als der Sender dankend ablehnte, holten die Jugoslawen ein zweites Angebot aus der Tasche: Angesichts der desolaten Finanzlage bei ORT und des schwebenden Verfahrens gegen Mehrheitsaktionär Boris Beresowski wären Serbia inc.und AKA-Bank bereit, sich bei ORT einzukaufen ...

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