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Politik: Wo steht Stoiber?

CDU UND CSU

Von StephanAndreas Casdorff

Für Edmund Stoiber muss die vergangene Woche eine rechte Qual gewesen sein, und die nächste wird wohl auch nicht besser. Natürlich, auch er kann sich neben Horst Köhler stellen und sagen: Mein Kandidat! Und klar, sein Gesicht darf Zufriedenheit ausstrahlen – aber nur, wenn man akzeptiert, dass Politik sowieso ein großes Schauspiel geworden ist, eine große Zurschaustellung. Denn eines lässt sich nicht einfach weglächeln oder wegreden: Stoiber hat verloren. Wie viel, das werden wir noch sehen. Er auch.

Wieder einmal war es so: Wenn die Situation ganz eng ist, wenn es darauf ankommt, Ja oder Nein zu sagen oder zu stehen, wie es im Politsprech gerne heißt, dann ist der bayerische Ministerpräsident seinem Mentor Franz Josef Strauß ähnlicher, als ihm lieb sein dürfte. Der konnte auch gut brüllen – nur hat er gegen Helmut Kohl oft verloren. Und da auch Merkel Kohl ähnlicher ist, als Stoiber recht sein wird, ist die Bundespräsidenten-Chose so ausgegangen, wie es Merkel gefällt. Das erinnert daran, wie im zurückliegenden Wahlkampf, als Gerhard Schröder in einer Fernsehdiskussion Stoiber die Irakfrage stellte und es nur noch um Ja oder Nein zum Krieg und zu deutscher Beteiligung ging, der Herausforderer nicht ganz klar sagte, was für ihn Sache ist. Stattdessen kam viel Geschwurbel. Und doch war klar: Hier steht einer nicht, hier schwankt er.

An Stoiber wird immer wieder Maß genommen, weil er es auch selber so will, es geradezu herausfordert. Er will immer der Erste sein, bei allen Punkten die große Strategie vorgeben. Man muss nur mal nachlesen, worin überall: Steuersystem der Zukunft, Koalitionen der Zukunft, soziale Sicherung der Zukunft, Bundeskanzler, Bundespräsident – Stoiber marschiert los, von mächtigem Getrommel begleitet, aber der Erfolg ist ja nicht deshalb schon garantiert, weil die CSU eine so machtvolle Versammlung in Bayern ist. Stoiber mag sich als starker Mann präsentieren, aber was am Ende zählt, sind nicht die starken Worte.

Noch ist zum Beispiel längst nicht ausgemacht, ob er das nächste Kräftemessen mit Merkel um die so genannte Kopfpauschale in der Krankenversicherung gewinnt. Ganz offenkundig ist doch das seine Taktik: Stoiber möchte die Steuerfrage so gelöst haben, dass jetzt die Möglichkeit verbaut wird, aus dem Staatssäckel die notwendigen Milliarden Euro für den Umbau des Sozialsystems herauszuholen. Das genau will die CDU mit Merkel an der Spitze, Stoiber aber nicht.

Wieder macht Stoiber Tempo – und womöglich ist es gerade das, was ihn schwächer macht: eine grundnervöse Art. Wer zu schnell wird, übersieht schon mal was. Ein Blick nach Bayern zeigt, dass das Tempo dort nach der grandios gewonnenen Wahl zu hoch war. Plötzlich kam der Landeschef mit einem Zukunftsprogramm daher, das die vorher gepriesene Politik abräumte, vom neunjährigen Gymnasium bis zur dezentralen Behördenstruktur. Dazu wartete er mit einem derart rigiden Sparkurs auf, dass es zu Protesten gegen die CSU kam. Und das in Bayern! Polizisten, Bauern, Studenten, Beamte, sogar die Mitglieder einer katholischen Jugendbewegung demonstrierten – wann hat es das schon mal gegeben?

Wie im Rausch, so hat es ein Beobachter formuliert, wurden von Stoiber und seinen Leuten neue Reformkonzepte für Bund und Land produziert, ohne Absprache mit der eigenen Partei oder mit der Schwester CDU. In den Fraktionen wurden sie sauer, in Berlin und in München. Politik im Hauruck-Verfahren, mit einem hohen Maß an Selbstgefälligkeit, ohne Bindung an „die Leut’“ im Land, was doch immer die größte Stärke der Partei war: Erst einmal die Stimmung aufnehmen, dann Interessen auswiegen und sich schließlich die breitest mögliche Zustimmung sichern.

Wieder kann Merkel warten. Schröder im Übrigen auch. Stoibers Sparkurs für Bayern – um im Bundestagswahljahr 2006 als erstes Land einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen – hat Bedeutung weit darüber hinaus. Das Ziel ist so groß, so ehrgeizig, dass nur noch der Erfolg zählt. Zahlen sprechen für sich. Und es kann Edmund Stoiber ganz schnell weiter schwächen, wenn er im Bund Kompromisse eingehen muss. Denn die kosten. In jeder Beziehung.

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