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Politik: Wulff sieht sich noch nicht als Sieger

In Niedersachsen könnte die Wirtschaftspolitik die Landtagswahl Ende Januar entscheiden

Die Umfragen stehen gut für Niedersachsens CDU/FDP-Regierung. Nicht nur bei der Sonntagsfrage liegen die beiden Parteien vorn, auf den meisten Politikfeldern wird ihr auch die höhere Kompetenz zugewiesen – vor allem in der Wirtschaftspolitik. Doch der Sozialdemokrat Wolfgang Jüttner, Herausforderer von Ministerpräsident Christian Wulff, greift genau hier an: Die Defizite in der Wirtschaftspolitik seien unübersehbar, der zuständige Minister Walter Hirche von der FDP, mit 66 Jahren der Senior im Kabinett, sei hoffnungslos überfordert. Wulff selbst sieht die Aussichten nicht allzu rosig. Er rechnet mit einem knappen Wahlergebnis und befürchtet, dass Siegesprognosen für Schwarz-Gelb die eigene Anhängerschaft nicht motivieren.

In der Wirtschaftspolitik gibt es einige Großbaustellen, die Wulff vor der Wahl nicht abschließen konnte. Für die Opposition bietet das eine gute Gelegenheit, die unvollendeten Aufgaben als Schwäche der Regierung darzustellen. Als vor kurzem der jüngste statistische Bericht vorgelegt wurde, reagierten zunächst die Regierungsparteien erfreut: Die Lage hat sich 2006 gegenüber den Vorjahren erheblich verbessert, das Wirtschaftswachstum liegt mit 2,6 Prozent im Bundesschnitt (ein Fortschritt für Niedersachsen) und die Pleitewelle sei auch abgeebbt. Wenig später allerdings fanden Jüttner und die SPD mehrere Haare in der Suppe: Das Wirtschaftswachstum sei im ersten Halbjahr 2007 schon wieder abgeschwächt, die Patentanmeldungen in Niedersachsen seien immer noch sehr mager, die Gewerbeanmeldungen ebenfalls.

Das Land hat laut SPD zu wenig Studenten und investiert zu wenig in die Hochschulen. „Niedersachsen verliert deshalb an Boden“, sagt Jüttner. Während dieser Streit eher akademisch wirkt, sind andere wirtschaftliche Probleme konkret. In Osnabrück, der Heimatstadt von Wulff, hat der traditionsreiche Autobauer Karmann große Probleme. Wegen fehlender Aufträge plant das Unternehmen, ein Viertel seiner rund 5000 Stellen zu streichen. Wulff dämpft derweil Erwartungen, er könne über seine Mitgliedschaft im VW-Aufsichtsrat bewirken, dass Karmann womöglich von dort neue Aufträge erhält. Immerhin sind die gefährdeten Airbus-Werke in Varel und Nordenham vor Weihnachten an eine Bremer Firma und nicht an ein US-Unternehmen verkauft worden. Die Sorge, dass Arbeitsplätze in Gefahr geraten, ist damit jedoch nicht völlig vom Tisch.

Das größte Problem der niedersächsischen Wirtschaftspolitik ist freilich der Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven. Eigentlich hätte der Bau, den Niedersachsen und Bremen gemeinsam verantworten, schon längst beginnen sollen. Doch bei der Vergabe des Bauauftrags türmten sich große Probleme auf: Zunächst war die emsländische Firma Bunte als Favorit ausgewählt worden, doch dann bremste die Bremer Seite ab und intervenierte massiv für ihren langjährigen Partner, den Essener Großkonzern Hochtief. Dabei zog die niedersächsische Seite mit – bis schließlich Bunte vor Gericht ging und siegte, weil das Hochtief-Angebot mangelhaft war. Jetzt untersucht ein Untersuchungsausschuss des Landtags die Frage, ob das Wirtschaftsministerium in dem von Bremen angeschobenen Engagement für Hochtief zu weit gegangen ist und die strengen Regeln des Vergaberechts womöglich überschritten hat. Der Bau kann vorerst nicht starten, weil das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg seit über zwei Monaten vorliegende Eilanträge von Naturschützern noch nicht entschieden hat. Die Opposition sieht darin wieder einen Beleg dafür, dass Wulffs Wirtschaftsminister Hirche die Situation „nicht im Griff“ habe. CDU und FDP widersprechen vehement – doch das erhoffte Aufbruchsignal, nämlich den Hafenbau endlich zu starten, können auch sie nicht liefern.

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