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Armenische Soldaten auf einem Posten an der Grenze zu Berg-Karabach (Archivbild)

© Reuters/Staff

Update

Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan: Zahl der Toten in Berg-Karabach steigt – beide Seiten melden Gebietsgewinne

Armenien und Aserbaidschan kämpfen um Berg-Karabach, es gibt Tote und Verletzte. Die UN und etliche Staaten rufen zu Deeskalation und Verhandlungen auf.

Nach schweren Kämpfen mit zahlreichen Toten und Verletzten in der Konfliktregion Berg-Karabach gilt in den verfeindeten Nachbarländern Armenien und Aserbaidschan der Kriegszustand. In Aserbaidschan trat das in der Nacht auf Montag in Kraft, wie Staatschef Ilham Aliyev am Wochenende entschied. In der Ex-Sowjetrepublik soll es in einigen Landesteilen abends Ausgangssperren geben.

Am Montag ordnete Aliyev auch eine Teilmobilmachung an. Damit würden Wehrpflichtige zum Kriegsdienst eingezogen, hieß es in einem am Montag vom Präsidialamt in Baku veröffentlichten Schreiben.

In Armenien mobilisierte Regierungschef Nikol Paschinjan in Eriwan bereits am Sonntag die Bevölkerung und verhängte im ganzen Land den Kriegszustand. Zuvor hatte Aserbaidschan eine Militäroperation gegen Berg-Karabach begonnen und eroberte mehrere Dörfer.

Zwischen den verfeindeten Ländern kam es nach Angaben beider Seiten am frühen Sonntagmorgen zu den Gefechten. Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert sei beschossen worden, hieß es. Paschinjan wertete die Gefechte als Kriegserklärung gegen sein Volk.

Die von Armenien kontrollierte Region mit geschätzt 145.000 Einwohnern gehört völkerrechtlich zum islamisch geprägten Aserbaidschan. Es handelt sich um die schwerste Eskalation seit Jahrzehnten.

Nach Angaben der Regionalregierung wurden in der Nacht zum Montag 15 weitere pro-armenische Kämpfer getötet. Damit stieg die Zahl der getöteten Kämpfer auf 32. Bereits am Sonntag waren sieben zivile Todesopfer gemeldet worden, darunter fünf aserbaidschanische und zwei armenische. Die aserbaidschanische Armee machte bislang keine Angaben zu ihren Verlusten.

Die Opferzahlen könnten weit höher liegen. So gab die Regierung in Aserbaidschan an, 550 pro-armenische Kämpfer getötet zu haben. Armenien dementierte den Bericht und erklärte seinerseits, „dutzende“ aserbaidschanische Soldaten getötet zu haben. Beide Seiten meldeten Gebietsgewinne. Unter den Opfern sind nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auch Zivilisten.

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Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld für die Gefechte. Armenien behauptete am Sonntagabend, dass die Türkei Aserbaidschan unterstützt haben soll. Das Verteidigungsministerium in Eriwan habe Informationen dazu; dass etwa türkische Waffen zum Einsatz gekommen seien.

Regierungschef Paschinjan betonte bei einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron auch, dass sich die Türkei sehr aggressiv verhalte. Ankara müsse abgehalten werden, sich in diesen Konflikt einzumischen. Eine Reaktion aus der Türkei gab es bislang nicht.

Bundesregierung fordert Waffenstillstand

UN-Generalsekretär António Guterres forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe um die Kaukasus-Region. „äußerst besorgt“ über das Wiederaufflammen des Konflikts zwischen Aserbaidschan und Armenien, erklärte Guterres am Sonntag in New York. Er forderte beide Seiten dringend dazu auf, die Kampfhandlungen sofort zu beenden, die Spannungen abzubauen und unverzüglich Verhandlungen aufzunehmen.

Auch die US-Regierung forderte ein Ende der Kämpfe. Das Außenministerium in Washington nahm nach eigenen Angaben zu beiden Seiten Kontakt auf und forderte die Konfliktparteien dazu auf, die Kampfhandlungen sofort einzustellen, existierende Kommunikationskanäle zu nutzen, um eine weitere Eskalation des Konflikts zu verhindern, und auf "nicht hilfreiche" Worte und Taten zu verzichten.

Zuvor hatten bereits Deutschland, Frankreich, Italien und die EU ein sofortiges Ende der Kämpfe gefordert. Die Bundesregierung wertet die neu entfachten Kämpfen zwischen Armenien und Aserbaidschan um die umstrittene Region Bergkarabach als „gefährliche Lage“. Es müsse einen Waffenstillstand und sofortige Verhandlungen geben, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Armenien vertraut Schutzmacht Russland

Dies sei der dringende Appell der Bundesregierung. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes ergänzte, über die Botschaften vor Ort sei die Bundesregierung mit beiden Seiten im Kontakt. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) betonte, dass die OSZE-Minsk-Gruppe mit ihren drei Co-Vorsitzenden Frankreich, Russland und USA für Verhandlungen bereit stehe. Iran, der gute Beziehungen zu beiden Ländern hat, bot sich ebenfalls als Vermittler an.

Baku hatte in einem Krieg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Kontrolle über das von christlichen Karabach-Armeniern bewohnte Gebiet verloren. Seit 1994 gilt in der Region eine Waffenruhe, die aber immer wieder gebrochen wurde. Zuletzt flammte der Konflikt 2016 stark auf - es starben mehr als 120 Menschen. Das völlig verarmte Armenien setzt auf Russland als Schutzmacht, das dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat. Das öl- und gasreiche Aserbaidschan hat die Türkei als verbündeten Bruderstaat.

Das Auswärtige Amt riet von Reisen in die Region ab. „Von Reisen in die Nähe der Line of Contact um Berg-Karabach und den besetzten Gebieten sowie in das gesamte Grenzgebiet zu Armenien wird dringend abgeraten“, hieß es am frühen Sonntagabend in den Reise- und Sicherheitshinweisen. Dasselbe gilt demnach für Reisen in das gesamte Grenzgebiet auf armenischer Seite. Die Einreise nach Berg-Karabach ohne eine entsprechende aserbaidschanische Erlaubnis stelle nach aserbaidschanischem Recht einen Straftatbestand dar, heißt es zudem. (dpa, AFP)

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