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Palästinenserpräsident Mahmud Abbas (l.) traf Bundeskanzler Olaf Scholz.

© AFP/Jens Schlüter

Update

„50 Massaker, 50 Holocausts“: Zentralrat der Juden kritisiert Scholz nach Abbas-Eklat – Sprecher sieht Fehler bei sich

Im Kanzleramt wirft Palästinenserpräsident Abbas Israel mehrere „Holocausts“ vor. Der Kanzler widerspricht zunächst nicht – und steht nun ebenso in der Kritik.

Der Zentralrat der Juden hat das Verhalten von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach den Holocaust-Äußerungen von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas im Kanzleramt scharf kritisiert und fordert ein Überdenken der finanziellen Unterstützung seitens der Bundesregierung. „Das war ohne Frage ein Fehler“, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster dem Tagesspiegel mit Blick darauf, dass Scholz Abbas bei seinem Holocaust-Vorwurf an Israel nicht widersprochen und ihm danach sogar noch die Hand gegeben hatte.

„Ich hätte mir von dem Bundeskanzler eine klarere Haltung gewünscht. Der Leugnung oder Verharmlosung der Schoa müssen alle jeder Zeit energisch entgegentreten. Egal, ob es sich um einen Präsidenten oder einem Sitznachbar im Bus handelt“, betonte Schuster.

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Der Zentralratspräsident fordert den Kanzler auf, die umfassende finanzielle Unterstützung der Bundesregierung für die Palästinenser zu überdenken. „Jeder weiß, was mit deutschen Steuergeldern in den Palästinensischen Gebieten passiert. Der Zentralrat warnt seit langem davor, dass damit Israelhetze und Terrorpropaganda finanziert wird“, sagte Schuster.

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„Jetzt weiß auch jeder, dass diese Hetze von ganz oben vorgegeben wird. Die Bundesregierung sollte sich einmal mehr gut überlegen, ob das die Partner sind, mit denen sie zusammenarbeiten will.“ Indirekt forderte Schuster, als Konsequenz auf solche Empfänge und eine solche Bühne für die Palästinenser im Kanzleramt zu verzichten. „Ich kann mir auf jeden Fall nicht vorstellen, was sie bringen sollen.“

Altkanzlerin Merkel verurteilt Abbas' Holocaust-Äußerung

Auch Altkanzlerin Angela Merkel hat sich empört gezeigt über die Holocaust-Äußerung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. „Bundeskanzlerin a. D. Dr. Merkel verurteilt die Äußerungen von Präsident Abbas im Rahmen seiner Pressekonferenz in Berlin auf das Schärfste“, erklärte eine Sprecherin des Büros von Merkel auf „Bild“-Anfrage (Mittwoch).

Die Äußerung sei ein inakzeptabler „Versuch, die Singularität der von Deutschland im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen des Zivilisationsbruchs der Shoa zu relativieren beziehungsweise den Staat Israel direkt oder indirekt auf eine Stufe mit Deutschland in der Zeit des Nationalsozialismus zu stellen“. Solche Versuche werde Deutschland niemals dulden.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte am Dienstagnachmittag Israel bei seinem Besuch in Berlin einen „Holocaust“ an den Palästinensern vorgeworfen. „Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen“, sagte Abbas am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz im Kanzleramt. „50 Massaker, 50 Holocausts“, fügte er hinzu.

Sehen Sie hier das Video der Pressekonferenz:

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Scholz verfolgte die Äußerungen mit versteinerter Miene, sichtlich verärgert und machte auch Anstalten, sie zu erwidern. Sein Sprecher Steffen Hebestreit hatte die Pressekonferenz aber unmittelbar nach der Antwort Abbas' für beendet erklärt. Die Frage an den Palästinenserpräsidenten war schon vorher als die letzte angekündigt worden. Hebestreit berichtete später, dass Scholz empört über die Äußerung Abbas' gewesen sei.

„Kurz angeraunzt“ – Hebestreit sieht Fehler bei sich

„Der Bundeskanzler bedauert es, dass er auf der besagten Pressekonferenz gestern Nachmittag nicht ein zweites Mal intervenieren und direkt auf die Anwürfe anders reagieren konnte“, sagte Hebestreit am Mittwoch. Der Regierungssprecher bedauerte sein eigenes Agieren am Ende der Pressekonferenz.

Er sei nicht aufmerksam genug gewesen und habe nicht schnell genug reagiert. „Das war mein Fehler und den muss ich auf meine Kappe nehmen.“ Scholz habe ihn „beim Abgang von der Bühne schon kurz angeraunzt“, berichtete Hebestreit. Der Kanzler habe ihm gesagt, „dass ich das etwas schnell gemacht habe und er gerne noch etwas entgegnet hätte“.

Nach dem Termin wies Scholz den „Holocaust“-Vorwurf dann doch noch mit deutlichen Worten zurück. „Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel“, sagte der Kanzler der „Bild“-Zeitung.

Ein solcher Vorgang ist sehr ungewöhnlich. Dass sein Sprecher einer Zeitung einzelne Kanzler-Zitate schickt, zeigt aber die Selbsterkenntnis, dass es raschen Korrekturbedarf gibt.

Scholz meldet sich am Mittwoch nochmal – jetzt auf Twitter

Am Mittwochmorgen meldete sich Scholz auch auf Twitter noch einmal zu Wort. Sein Social-Media-Team schrieb auf deutsch und englisch im Namen des Kanzlers: „Ich bin zutiefst empört über die unsäglichen Aussagen des palästinensischen Präsidenten Mahmoud #Abbas. Gerade für uns Deutsche ist jegliche Relativierung des Holocaust unerträglich und inakzeptabel. Ich verurteile jeden Versuch, die Verbrechen des Holocaust zu leugnen.“

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Vor seiner umstrittenen Äußerung war Abbas von einem Journalisten gefragt worden, ob er sich zum 50. Jahrestag des von palästinensischen Terroristen verübten Attentats auf die israelische Olympiamannschaft in München bei Israel entschuldigen werde. Tagtäglich gebe es Menschen, die von der israelischen Armee getötet würden, sagte Abbas dazu. „Wenn wir weiter in der Vergangenheit wühlen wollen, ja bitte.“ Auf das Olympia-Attentat, bei dem elf Israelis getötet wurden, ging Abbas in seiner Antwort nicht ein.

Scholz widerspricht „Apartheid“-Argumentation

Scholz hatte Abbas bereits vorher auf offener Bühne kritisiert, weil er die israelische Politik als „Apartheid-System“ bezeichnet hatte. „Ich will ausdrücklich hier an dieser Stelle sagen, dass ich mir das Wort Apartheid nicht zu eigen mache und dass ich das nicht für richtig halte für die Beschreibung der Situation“, sagte Scholz.

Abbas hatte zuvor gesagt, die „Umwandlung in die neue Realität eines einzigen Staates in einem Apartheid-System“ diene nicht der Sicherheit und Stabilität in der Region.

Darüber hinaus forderte Abbas die EU und die Vereinten Nationen (UN) auf, den palästinensischen Staat vollständig anzuerkennen. Derzeit haben die Palästinenser nur einen Beobachterstatus bei den UN. Scholz wies Abbas' Forderung jedoch zurück. Deutschland unterstütze weiterhin eine Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern, sagte er.

„Es ist nicht die Zeit, diese Situation zu ändern“, sagte Scholz zum Beobachterstatus bei den UN. Weitergehende Schritte müssten auf einer Verhandlungslösung mit Israel aufbauen. Abbas warf Israel vor, genau dies seit langem zu verhindern. Der Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern kommt seit 2014 nicht mehr voran.

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Auch der israelische Ministerpräsident Jair Lapid wies den Holocaust-Vorwurf von Abbas mit deutlichen Worten zurück. „Dass Mahmud Abbas Israel beschuldigt, ‚50 Holocausts‘ begangen zu haben, während er auf deutschem Boden steht, ist nicht nur eine moralische Schande, sondern eine ungeheuerliche Lüge“, schrieb Lapid am Dienstagabend auf Twitter und verwies auf die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Holocaust ermordet wurden. Die Geschichte werde Abbas niemals verzeihen. Lapid ist selbst Sohn eines Holocaust-Überlebenden.

Auschwitz-Komitee kritisiert Abbas und Scholz-Reaktion scharf

Das Internationale Auschwitz-Komitee hat den Holocaust-Vorwurf von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas gegen Israel sowie eine zögerliche Reaktion von deutscher Seite scharf kritisiert. Der Exekutiv-Vizepräsident Christoph Heubner sagte am späten Dienstagabend, der Präsident habe „die politische Bühne Berlins gezielt genutzt, um die deutsche Erinnerungskultur und die Beziehungen zum Staat Israel zu diffamieren. Mit seinem schändlichen und unangemessenen Holocaust-Vergleich hat Abbas erneut versucht, antiisraelische und antisemitische Aggressionen in Deutschland und Europa zu bedienen.“

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Heubner kritisierte auch die Bundesregierung. „Es ist erstaunlich und befremdlich, dass die deutsche Seite auf Abbas' Provokationen nicht vorbereitet war und seine Äußerungen zum Holocaust in der Pressekonferenz unwidersprochen geblieben sind“, teilte Heubner in Berlin mit.

Kritik an Scholz' Reaktion kommt auch aus der Opposition. „Ein unfassbarer Vorgang im Kanzleramt“, schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Dienstagabend auf Twitter. Der Kanzler hätte dem Palästinenserpräsidenten „klar und deutlich widersprechen und ihn bitten müssen, das Haus zu verlassen!“, argumentierte er. Der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer sagte: „Selbstverständlich hätte Bundeskanzler Olaf Scholz nach der Holocaust-Relativierung dem Palästinenserpräsidenten widersprechen können – und müssen. Nach einer solchen Entgleisung zu schweigen ist unverzeihlich.“ (mit dpa, Reuters)

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